Gratis-Taxi und 50-Euro-Gutschein wegen Wiener Automatenverbots.
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Wien. Und sie fügten sich doch. Die Automatenbetreiber, allen voran Novomatic. 2014 hatten sie angekündigt, das ab Neujahr geltende Wiener Verbot für Glücksspielautomaten zu ignorieren. Beim Lokalaugenschein der "Wiener Zeitung" in Ottakring, Margareten, Landstraße waren jedoch alle einarmige Banditen in Wettcafés, Glaskabinen oder Automatensalons "Außer Betrieb" oder komplett in Plastikfolie gehüllt.
Personal war trotzdem vor Ort - um die wertvollen Automaten vor Diebstahl zu schützen und die Spieler bei Laune zu halten. Platzhirsch Novomatic, der bis Jahreswechsel noch 1500 der 2300 Wiener Automaten betrieb, machte seinen Stammkunden, die auch an Wochentagen bereits ihre Vormittage vor den blinkenden Automaten verbringen, ein exklusives Angebot: 50-Euro-Gutschein plus Gratis-Taxi nach Niederösterreich. Von Baden, Schwechat, Gänserndorf, Korneuburg bis Purkersdorf - einzulösen bis 31. 3. 2015.
Jobängste
Die Mitarbeiter in den Wettcafés und Automatensalons haben lange Gesichter. Die Angst um ihren Arbeitsplatz steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Journalisten gegenüber gilt ein Schweigegebot. Dem als Spieler getarnten Journalisten überreichen sie den Gutschein. "Soll ich gleich ein Taxi rufen?", bewirbt ein ungefähr 30-jähriger Mitarbeiter mit türkischem Akzent die Gutschein-Aktion. Zwei junge Männer mit afrikanischen Wurzeln wollen spielen. Sie wundern sich kurz über die verklebten Automaten und gehen weiter. Der Automaten-Wächter schaut ihnen nach und sagt nachdenklich: "Ich habe zwei Kinder und nichts anderes gelernt als das. Was soll ich nun machen?"
Noch bis Jahresende haben er und seine Kollegen auf geteilten Bildschirmen die Spielerkabinen überwacht. Läuteten die Spieler, huschten Sie über die Straße in die Kabinen und zahlten Gewinne aus. Nun bleiben die mit Ketten am Gürtel montierten Börsel leer. "Auch die ganzen Putzfrauen haben dann keine Hacken mehr."
Er ist über das Verbot, das Novomatic im Aushang an die Kunden als rechtswidrig bezeichnet, gut gebrieft. Er weiß, dass dagegen geklagt wurde. Deswegen hofft er auf ein "EU-Gericht". Verantwortlich seien "diese Grünen". "Die sollen bitte scheißen gehen."
Dann wird er nachdenklich und meint, es wäre ihm lieber gewesen, die Stadt hätte die Automaten nie erlaubt. "Dann hätte ich mir gleich was anderes gesucht. Aber sie jetzt über Nacht einfach abmontieren?"
Was ihm die Zentrale offenbar nicht erzählt hat: Das Automatenverbot ist seit 2011 beschlossen. Grüne und Sektion 8 der SPÖ haben es gegen die SPÖ-Stadtgranden, allen voran Bürgermeister Michael Häupl, durchgeboxt, weil sie das soziale Elend durch den Automaten-Wildwuchs als schlimmer erachteten als den Verlust für den Wirtschaftsstandort und den Steuertopf. Im Vertrauen auf ihre guten Kontakte zur Politik und ihre Anwälte haben Novomatic & Co das Verbot aber ignoriert. Die Mitarbeiter rechtzeitig vorzubereiten - mit Sozialplänen, Umschulungen - hatte in dieser Strategie offenbar keinen Platz. Novomatic-General Harald Neumann bat die Mitarbeiter noch im Herbst in einem internen Schreiben, sich keine Sorgen um den Job zu machen.
Nicht nur die verglasten Kabäuschen und Automatensalons stehen vor dem Aus - auch die unzähligen Wettcafés müssen bangen. Allein Novomatic betreibt 80 davon. Einige davon, etwa am Dornerplatz oder am Brunnenmarkt, haben bereits zugesperrt. Die Frage, ob ein Zusammenhang mit dem Automaten-Aus besteht, blieb seitens Novomatic unbeantwortet. In Inseraten gegen das Verbot ist aber davon die Rede, dass "1000 Mitarbeiter auf absehbare Zeit arbeitslos sein werden".
Die Sorge ist berechtigt. "Mit Wetten verdienst du kein Geld", sagt der Automaten-Wächter, "das geht viel zu langsam." Das gilt auch für die Wett-Terminals, bei denen man alternativ zum Buchmacher seine Fußball- oder Pferde-Tipps platzieren kann. Zwei Glückspielautomaten hingegen finanzieren in guter Lage ein Wettcafé, heißt es in der Branche.
Die 1000 bedrohten Mitarbeiter scheinen hoch gegriffen - bei durchschnittlich ein bis zwei Leuten vor Ort. Eingerechnet ist dabei wohl das Admiral Casino Novomatics im Prater mit 400 Automaten. Das macht nur Pause. Denn es hat eine Casino-Bundeslizenz bekommen und ist dann nicht vom Wiener Verbot betroffen. Dort können Spieler weiterzocken. Wegen eines Rechtstreits ist die Lizenz aber noch nicht gültig.
"Gott sei Dank"
In einem Wettcafé im fünften Bezirk trinken ältere türkische Männer Tee, spielen Karten, später setzen sie vielleicht auf ihre Heimatmannschaft. Es herrscht Wohnzimmer-Atmosphäre. Der Kellner sagt, er werde die Automaten-Zocker alles andere als vermissen. "Die Automatenspieler haben kein Geld für Kaffee, nur für den Automaten. Wenn sie alles verspielt haben, und das geht sehr schnell, kommen sie und schnorren eine Tschick von mir."
Ein junger Migrant zeigt dem Kellner strahlend einen Wettschein. Er sei mit der Arbeitslosen gleich wetten gegangen und habe 40 Euro gewonnen.
Am Automaten hätte er mehr verdient - oder die Arbeitslose am zweiten Tag des Jahres versenkt.