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Nowotny: Gefahr eines "verlorenen Jahrzehnts"

Von Stefan Melichar

Wirtschaft

Regierung peilt Verlängerung des Bankenhilfspakets an. | Starker Euro macht Europäischer Zentralbank Sorgen. | Wien.Die unmittelbare Gefahr eines Zusammenbruchs der Weltwirtschaft ist zwar vorerst gebannt, dennoch scheint es zu früh für eine weitreichende Entwarnung. "Ich würde für Europa die Gefahr eines verlorenen Jahrzehnts nicht ausschließen", so der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Ewald Nowotny, am Freitag im Klub der Wirtschaftspublizisten.


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Damit spielt Nowotny auf Japan an, das rund zehn Jahre gebraucht hat, um sich einigermaßen von einer schweren Finanz- und Wirtschaftskrise in den frühen 1990er Jahren zu erholen. Ein Wirtschaftswachstum von 0,7 bis 1 Prozent reiche nicht aus, die Arbeitslosigkeit zu senken oder den Staatshaushalt zu sanieren, warnt Nowotny. Unter anderem gelte es, die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken, so der OeNB-Chef.

Als gewichtiger Hemmschuh könnten sich hier "Verzerrungen" in der Wechselkurs-Entwicklung erweisen: Der Euro habe nicht nur gegenüber dem US-Dollar aufgewertet, sondern auch gegenüber asiatischen Währungen, die an den Dollar gebunden sind, erklärt Nowotny. Legt die Gemeinschaftswährung an Wert zu, werden Produkte aus Euro-Ländern in Staaten mit einer schwächeren Währung automatisch teurer - was die europäische Exportwirtschaft belastet und den Aufschwung bremst.

Dies bereitet der Europäischen Zentralbank (EZB) offenbar gravierende Sorgen: Obwohl sich die EZB - offiziell - nicht um Angelegenheiten der Wechselkurs-Entwicklung kümmert, reist Zentralbank-Chef Jean-Claude Trichet noch in diesem Monat gemeinsam mit EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Joaquin Almunia nach Peking, um die Angelegenheit dort aufs Tapet zu bringen.

"Keine Interventionen"

An aktive Wechselkurs interventionen denke die Europäische Zentralbank nicht, erklärt Nowotny, der Mitglied des EZB-Rats ist. Ziel sei, eine "abgestimmte Verhaltensweise" zwischen den USA, Asien und dem Euro-Raum zu entwickeln.

Einer möglichen weiteren Bedrohung für den Konjunkturaufschwung - der Unterversorgung der Wirtschaft mit Krediten - will die EZB selbst entgegentreten: Die Maßnahmen der vergangenen Monate zur Versorgung der Banken mit billigem Geld werden nur vorsichtig und schrittweise zurückgefahren, sagt Nowotny.

Im Dezember dürfte wohl zum letzten Mal eine - vom Volumen her unbegrenzte - Vergabe von Mitteln mit einjähriger Laufzeit an Finanzinstitute stattfinden. Den Abbau solcher Liquiditätsmaßnahmen könne man rascher durchführen als eine Anhebung der Leitzinsen, so der OeNB-Chef.

Was Österreich betrifft, dürfte der Staat auch 2010 seinen Schutzschirm über die Finanzinstitute halten. Auf Empfehlung der OeNB peilt die Regierung eine Verlängerung des staatlichen Bankenpakets über das Jahresende 2009 hinaus an. Im Finanzministerium will man sich diesem Wunsch der - für die Stabilität des Bankensystems verantwortlichen - OeNB "nicht verschließen". Auch im Bundeskanzleramt ist man "verhandlungsbereit".

Rascher Beschluss

Für jenen Teil des Hilfspakets, der die direkten Kapitalzuschüsse regelt, ist lediglich eine Genehmigung der EU-Kommission für weitere sechs Monate notwendig. Eine weitere Vergabe von Staatshaftungen für Bankanleihen und eine Fortsetzung der Tätigkeit der sogenannten Clearingbank müssten hingegen auch vom Parlament abgesegnet werden.

Zur Beschleunigung könnte der Beschluss im Rahmen eines Gesetzes, das eine ähnliche Materie behandelt, erfolgen. Hier würde sich die sogenannte "Prozyklizitätsnovelle" anbieten, die bereits die Begutachtung hinter sich hat. Aus Regierungskreisen ist zu hören, dass die Verlängerung bis Ende November unter Dach und Fach ist.

Da es keine inhaltlichen Änderungen gibt, erwartet man sich auch rasch grünes Licht aus Brüssel. Zwar hat zuletzt seitens der Banken kaum noch Nachfrage nach Staatshilfen bestanden, angesichts "erheblicher Unsicherheiten" will Nowotny das "Sicherheitsnetz" aber weiter aufrecht erhalten.