Niznanský ist "nicht schuldig". | Preßburg. Fast schon künstlich um Zurückhaltung bemüht zeigen sich die slowakischen Journalisten in den ersten Stunden nach der Verkündung des Freispruchs für Ladislav Niznanský.
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Dem wegen NS-Verbrechen angeklagten 88-Jährigen könne nicht nachgewiesen werden, dass er im Jänner 1945 für den Tod von 164 Zivilisten in der Slowakei mitverantwortlich war, hatte zuvor ein Münchner Schwurgericht befunden. Richter Manfred Götzl wies ausdrücklich darauf hin, dass es kaum noch Zeugen gebe, die die Massaker in den Dörfern Ostry Grun, Klak und Ksinna im Jänner 1945 bewusst miterlebt hätten.
20 Zivilisten soll der Ex-Journalist Niznanský, 1945 Hauptmann, im Zuge einer "Strafaktion" gegen Partisanen eigenhändig erschossen haben. Das behauptet die Staatsanwaltschaft - Beweise konnte sie nicht liefern.
Medialer Drahtseilakt
In der Slowakei sorgt das Urteil nicht nur bei den Nachfahren der 1945 Getöteten für Betroffenheit. Doch wie ist es möglich, die eigene Abscheu für einen nunmehr freien Mann zum Ausdruck zu bringen, ohne die Funktionsfähigkeit der Justiz in einem anerkannten Rechtsstaat in Frage zu stellen? Die Tageszeitungen "Sme" und "Pravda" lösen den Widerspruch geschickt, indem sie wenige Minuten vor der Urteilsverkündung auf ihren Homepages Niznanskýs Ehefrau zu Wort kommen lassen, die ihren Glauben an die Unschuld ihres Mannes beteuert, um wenig später nochmals dem Plädoyer des Staatsanwalts breiten Raum einzuräumen, der von Niznanskýs Schuld überzeugt ist.
Zwischen den Zeilen ist damit alles gesagt. Und es ist das Aktionsfeld für die Mediennutzer eröffnet, die ihrer Wut über das Urteil in diversen Diskussionsforen freien Lauf lassen. Dabei steht allerdings weniger der frühere Angeklagte, als vielmehr das Gericht sowie Niznanskýs Verteidiger unter Beschuss. Ob es denn keinen Zweiten Weltkrieg gegeben habe und die Geschichte nun neu geschrieben werden müsse, heißt es in nicht nur einem entrüsteten Statement.