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Nüchterne NGO-Bilanz nach dem G8-Treffen in Evian

Von Uwe Gepp

Politik

Evian - Ein Dutzend Aktionspläne und wenig konkrete Beschlüsse: Die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) haben eine äußerst kritische Bilanz des G-8-Gipfels von Evian gezogen. Weder bei der Aufstockung der Entwicklungshilfe, dem Schuldenerlass für die ärmsten Länder oder dem Abbau von Subventionen auf Agrarexporte hätten sich die Industrieländer entscheidend bewegt. "Wenn das der Gipfel ist, dann will ich nicht das Tal sehen", sagt Justin Forsyth von der internationalen Hilfsorganisation Oxfam.


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Ein Hoffnungsschimmer sind die Zusagen für den Globalen Gesundheitsfonds im Kampf gegen Aids. "Aber jetzt müssen auch Taten folgen", mahnt der Geschäftsführer von Misereor Deutschland, Martin Bröckelmann-Simon. Die USA wollen eine Milliarde Dollar (853 Mill. Euro) jährlich einzahlen, wenn die Europäer ihren Beitrag auf die gleiche Summe aufstocken. Frankreich will seine Zahlungen auf 150 Millionen Euro verdreifachen, und Präsident Jacques Chirac zeigte sich zuversichtlich, dass die EU in zwei Wochen auf dem Gipfel in Thessaloniki nachzieht.

Doch weist Ärzte ohne Grenzen darauf hin, dass ein Kernpunkt im Kampf gegen Aids auch in Evian wiederum nicht umgesetzt wurde: Die Menschen in den Entwicklungsländern sollen endlich über billige Medikamente verfügen. Dagegen sträuben sich die USA in der laufenden Doha-Welthandelsrunde. Die G-8-Gruppe beteuerte in Evian lediglich ihre Absicht, diesen Streitpunkt noch vor der nächsten WTO-Konferenz im September aus der Welt zu räumen.

Ungehört verhallte am Genfer See der Appell von UN-Generalsekretär Kofi Annan, die Entwicklungshilfe drastisch anzuheben. Mindestens 50 Mrd. Dollar seien jährlich zusätzlich nötig, um die ehrgeizigen Ziele des Milleniumgipfels im Kampf gegen die Armut auch nur annähernd erreichen zu können, schrieb Annan den Gipfelteilnehmern ins Stammbuch. Misereor fordert, im Bundeshaushalt 2004 müsse trotz neuer Milliardenlöcher die Entwicklungshilfe angehoben werden. "Unsere schwierige wirtschaftliche Lage darf nicht zu Lasten der Armen dieser Welt gehen", sagt Bröckelmann-Simon.

Die Globalisierungskritiker von Attac machen darauf aufmerksam, dass die G-8 die Liberalisierung des Welthandels vorantreiben wollen. Die Beteuerung, dies solle nicht zur Lasten der Entwicklungsländer gehen, hält Lukas Engelmann von Attac Deutschland für Augenauswischerei: "Jede Liberalisierung führt dazu, dass die starken Mächte die schwachen beherrschen."

Erneut keinen Durchbruch erzielte der G-8-Gipfel in der Frage der Agrarexportsubventionen: Mehr als 300 Mrd. Dollar pumpen die Industriestaaten jährlich in ihre Landwirtschaft, und behindern nach Einschätzung von Kritikern auf diese Weise massiv die Nahrungsmittelproduktion in den Entwicklungsländern. "Eine Kuh in Europa erhält mehr Subventionen als ein Bauer in Afrika", kritisiert Bröckelmann-Simon. Ein Vorstoß des französischen Präsidenten Jacques Chirac, diese Subventionen auszusetzen, fiel in Evian glatt durch.

Von einem Reinfall des G-8-Treffens spricht Oxfam: "Wenn in einigen Jahren die Geschichte des Kampfes gegen den Hunger geschrieben wird, verdient der Evian-Gipfel darin nicht mal eine Fußnote." Bröckelmann-Simon sieht immerhin einen kleinen Fortschritt darin, dass Chirac die Entwicklungsländer zum Nord-Süd-Dialog eingeladen hatte. "In Zeiten, wo alle nur auf sich selbst schauen, ist allein das schon wichtig."

Chirac entschuldigt sich bei Schweizern für die Krawalle

Chirac entschuldigte sich gestern zum Abschluss des G8-Gipfels bei den Schweizern für den Schaden, den Randalierer am Rande des Treffens am Genfersee in Lausanne und Geneve angerichtet hatten. Allein in Genf beträgt die geschätzte Schadenssumme rund zwei Mill. Euro. Globaliseirungsgegner hatten dort 50 Läden - und damit rund ein Drittel der Geschäfte beschädigt.