Es war keine Ruhmestat der Wiener Regierung, die Aufnahme von ein paar hundert auf der italienischen Insel Lampedusa gestrandeten tunesischen Flüchtlingen zu verweigern. Rein rechtlich war die Haltung in Ordnung: Wer Asyl will, muss das im "ersten sicheren Hafen" beantragen, und dieser lag für die tunesischen Boat-People eben in Italien; ganz abgesehen davon, dass derartige Wirtschaftsflüchtlinge nach dem Sturz der tunesischen Diktatur eh keine Chance auf Asyl haben.
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Grund zur Klage - wenn auch nicht im juristischen Sinn - haben deshalb auch gar nicht die Flüchtlinge, sondern viel eher die Italiener. Denn natürlich wollten die Tunesier nicht justament nach Italien, sondern einfach nach Europa, völlig gleichgültig wohin. Italien hat einfach das Pech, geografisch näher zu liegen als etwa Estland.
Es wäre daher, nähme man das ewige Politiker-Gelabere von der "europäischen Solidarität" nur irgendwie ernst, naheliegend gewesen, diese Flüchtlinge auch irgendwie auf alle EU-Staaten aufzuteilen - ein paar tausend auf eine Gesamtpopulation von einer halben Milliarde kann doch bitte so schwer nicht sein.
Doch, ist es. Beim deutschen Nachrichtensender "n-tv" - mit einer überdurchschnittlich gebildeten Seherschaft - stimmten in einer Umfrage 90 Prozent dagegen und nur 10 Prozent dafür, ein paar Tunesier ins Land zu lassen. In Österreich wird die Stimmung nicht anders sein. Man kann das nicht anders interpretieren als: Die Bereitschaft auch weit überdurchschnittlich verständiger Menschen, anderen EU-Europäern eine Bürde abzunehmen, ist außerordentlich bescheiden.
Das ist insofern kritisch, als dem wohlhabenderen Teil der Europäer in den kommenden Jahren noch weit höhere Solidarleistungen abverlangt werden, als ein paar Flüchtlinge eine Zeit lang zu beherbergen. Denn je klarer wird, wie die Schuldenkrise einiger EU-Staaten bekämpft werden wird, umso klarer wird auch: Staaten wie Deutschland oder Österreich werden dabei, in welcher Form auch immer, mit bedeutenden Summen zur Kasse gebeten. Angesichts der fast einhelligen Weigerung ebendieser Bevölkerung, den Italienern auch nur ein paar gestrandete Nordafrikaner abzunehmen, kann man leicht ermessen, wie groß die Bereitschaft sein wird, den Griechen, Iren oder Portugiesen Milliarden und Abermilliarden Euro zu geben: ziemlich genau null.
Der Grund ist ernüchternd: Weil sich eine große Mehrheit in Europa mit anderen Nationalitäten einfach nicht ausreichend solidarisch fühlt; und schon gar nicht, wenn das Geld kostet. Man mag diese Haltung für falsch halten, sie verschwindet davon bloß nicht.
Wer das ignoriert und ohne Rücksicht darauf aus der EU eine Transferunion gegen den Willen der Mehrheit der Deutschen, Österreicher und der anderen Financiers macht, unterminiert die Union mit Dynamitkisten. Wenn diese explodieren, wird sich Europa danach zurücksehnen, bloß das Problem einiger tausend tunesischer Asylwerber zu haben.
"Niemand will den Italienern afrikanische Asylwerber abnehmen: Nachbarschaftshilfe à la EU."
"Ohne echte Solidarität aber wird die Euro-Rettung lebensgefährlich für die Europäische Union."