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Seit Jahren liegt mir ein Freund damit in den Ohren, ich solle endlich einen Krimi von James Ellroy lesen. Auch dass er mir gelegentlich einen Plot nacherzählte, konnte mein Interesse nicht wirklich wecken. Dienstag nun bot das Ö1-"Hörspiel-Studio" den Ellroy-Krimi "In der Tiefe der Nacht"; für den SWR zu einem Hörspiel verarbeitet von Norbert Schäffer.
Der 1948 geborene Autor, dessen Fan-Gemeinde mehrere Hausaltäre in Form von Homepages im Internet betreibt, hat mit "In der Tiefe der Nacht" eine trashige Kriminalgeschichte geschrieben über einen Nervenarzt, der als Kind von seinem sadistischen Vater misshandelt wurde. Und zwar so, dass er seine erwachsenen Patienten zu Mördern umtherapiert, was wiederum ihm dazu verhelfen soll, seinen im Polizisten Lloyd Hopkins imaginierten Vater endgültig zu besiegen.
Auch wenn Ellroys eigene Kindheit - seine Mutter wurde ermordet, als der Autor in spe zehn war - die Folie für Dr. Havilland gewesen sein mag, ist dieser Krimi klischiert bis zur Ödnis geraten. Die Art der Inszenierung setzte da noch eins drauf. Weder Regisseur noch Sprecher haben etwas Eigenes, Originelles beigetragen, sondern sich darauf beschränkt, abgegriffene Krimi-Klischees aus dem ganzen 20. Jahrhundert zu kompilieren, und dabei noch undeutlicher zu sprechen als weiland Humphrey Bogart. Der Gipfel des Läppischen war zweifellos erreicht, als trotzig das auf Deutsch wenig geläufige Schimpfwort "Mutterficker" erklang. Ich wusste gar nicht, wie wenig spannend ein Krimi sein kann . . .