Psychologinnen aus Wien orten Förderung von Aggressionen. | Wien. "Für gewalthaltige Spiele sollte Null Toleranz gelten. Für Eltern bedeutet dies, die Anschaffung gewalthaltiger Spiele in keiner Weise zu unterstützen, die Video- und Computerspielnutzung des eigenen Kindes zu beobachten und kritisch zu hinterfragen."
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Psychologinnen der Universität Wien kommen in einer aktuellen Studie, die in der "Schweizerischen Zeitschrift für Bildungswissenschaften" (31/2009) erscheint, zu diesem Schluss und schreiben mit Verweis auf andere Arbeiten, in der Wissenschaft herrsche "ein breiter Konsens darüber, dass gewalthaltige Video- und Computerspiele Aggressionen fördern". Daher raten sie auch den Pädagogen, "das Spielen von gewalthaltigen Video- und Computerspielen während der Pausen und in Freizeiten während des Unterrichts nicht zu tolerieren; Gelegenheiten für Gewaltspielnutzung sollten damit reduziert werden".
Eva-Maria Schiller, Dagmar Strohmeier und Christiane Spiel erkundeten, wie bei 12- und 16-Jährigen in Österreich Video- und Computerspielnutzung und Aggression zusammenhängen. 183 Kinder mit dem Altersdurchschnitt von 11,8 Jahren sowie 204 Jugendliche, im Durchschnitt 15,5 Jahre alt, nahmen daran teil.
Christiane Spiel: Ventil für Erfolgserlebnisse
Wie Christiane Spiel, Vorstand des Instituts für Wirtschaftspsychologie, Bildungspsychologie und Evaluation im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" betonte, war es keine repräsentative Umfrage. Denn die Teilnehmer waren nur Gymnasiasten, die, wie die Umfrage ergab, deutlich seltener vor derartigen Spielen sitzen (mehr als zwei Stunden pro Tag nur 19 Prozent der 16-Jährigen und nur 3 Prozent der 12-Jährigen) als der Durchschnitt der gleichaltrigen Bevölkerung.
In einer 2005/2006 von der Weltgesundheitsorganisation WHO durchgeführten Studie belief sich der Anteil jener in Österreich, die täglich zwei oder mehr Stunden Video- und Computerspiele spielen, bei den 11-Jährigen auf 29 Prozent, bei den 13-Jährigen auf 37 Prozent - was in dieser Stufe über dem internationalen Durchschnitt (35 Prozent) liegt - und bei den 15-Jährigen auf 30 Prozent.
In allen Altersstufen spielen deutlich mehr Burschen als Mädchen zwei und mehr Stunden pro Tag am Computer. Ist für Mädchen eher die Spielfreude das Motiv, so geht es den Burschen mehr um Leistung. Spiel: "Viele, die in der Schule eher schwach sind, holen sich hier Erfolgserlebnisse, das Spiel ist ein Ventil, um den eigenen Selbstwert bestätigt zu bekommen."
Wenn die Gymnasiasten relativ selten spielen, liegt auf der Hand, dass ihre Altersgenossen auf anderen Bildungswegen umso öfter Computer- und Videospiele betreiben. In diese Gruppe fallen besonders männliche Jugendliche, die man bereits zu "Bildungsverlierern" stempelt. Sie wollen nach ständigen schulischen Misserfolgserlebnissen von Bildung nichts mehr wissen, schalten ab, beenden die Schulpflicht ohne echten Schulabschluss und besitzen auf dem Arbeitsmarkt kaum Chancen.
Kein Grund, alle Spiele zu verteufeln
"Die Nutzung von Video- und Computerspiele allgemein zu verteufeln, wäre absurd", betont Spiel. Das sei auch "nicht notwendig", heißt es in der Studie, "in Bezug auf Aggression sind nur gewalthaltige Video- und Computerspiele als bedenklich einzustufen". Was ist gewalthaltig?
Mittels des internationalen Beurteilungssystems Pegi (Pan European Games Information) teilten die Forscherinnen die Spiele nach Eignung für ein bestimmtes Alter und Gewalthaltigkeit in verschiedene Kategorien ein. Gewalthaltige Spiele sind nach dieser Definition Spiele für 12-Jährige, die Gewalt gegen Phantasiefiguren und/oder angedeutete Gewalt gegen menschlich aussehende Wesen oder Tiere enthalten, oder Spiele für 16-Jährige mit Gewaltdarstellungen, wie sie im realen Leben vorkommen können.
Tests ergaben, dass Spieler von gewalthaltigen Spielen sich von Spielern von gewaltfreien Spielen hinsichtlich offener und reaktiver Aggression unterschieden. Sie schlagen leichter offensiv zu oder neigen zu Überreaktionen, wenn sie selbst angegriffen werden. Erwachsene haben meist gelernt, sich anders abzureagieren. "Viele Manager gehen nach einem anstrengenden Tag ins Fitness-Studio", sagt Spiel, "aber liefern wir genug Kanalisationsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche?"