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"Null und nichtig": Zypern lehnt Zwangsabgabe für Sparer jetzt vollends ab

Von WZ-Korrespondent Ferry Batzoglou

Politik

Zypern geht im Streit mit den potenziellen Geldgebern in die Gegenoffensive.


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Athen/Nikosia. Wie die "Wiener Zeitung" am Montagabend aus Nikosia erfuhr, lehnt Zypern die von der Eurogruppe am Samstag beschlossene sogenannte einmalige Sonderabgabe für Spar- und Terminanlagen bei Zyperns Geldinstituten mittlerweile im Grundsatz ab. Dies werde Zyperns Finanzminister Michalis Sarris seinen Amtskollegen bei der für Montagabend eigens anberaumten Telefonkonferenz der Eurogruppe zur Zypern-Krise darlegen.

Nach Informationen der "Wiener Zeitung" gelten in den Augen Nikosias die bei der jüngsten Eurogruppen-Sitzung vereinbarten Auflagen für das anvisierte Hilfspaket im Volumen von zehn Milliarden Euro für den Inselstaat vollumfänglich nicht mehr. "Null und nichtig" sei damit auch die Vereinbarung, den Unternehmenssteuersatz von 10 auf 12,5 Prozent zu erhöhen. Auch die unterdessen kolportierte Option von Nachverhandlungen zur Modifizierung der Zwangsabgabe je nach Guthabenhöhe einschließlich der Etablierung eines Freibetrags für Kleinsparer seien für Nikosia mittlerweile nicht diskutabel - und damit vom Tisch. Zypern begründet seine Position damit, dass Zyperns Parlament grundsätzlich kein grünes Licht für jegliche Sonderabgaben auf Spar- und Termineinlagen auf Zypern geben werde.

Die Eurogruppe hatte am Samstag unter anderem beschlossen, die Spar-Guthaben bis 100.000 Euro in Zypern mit einer Sonderabgabe von 6,75 Prozent und die Guthaben ab 100.000 Euro mit einer Zwangsabgabe von 9,99 Prozent zu belegen. Damit sollen auf einen Schlag 5,87 Milliarden Euro zur Rekapitalisierung von Zyperns angeschlagenen Banken kassiert werden. Dies hatte im klammen Euro-Land Entsetzen ausgelöst.

Wer glaubte, Zyperns Regierung würde den brisanten Eurogruppen-Beschluss wie ursprünglich geplant am Sonntagabend in einer Sondersitzung durch das 56-köpfige Parlament peitschen, der irrte gewaltig.

Zwar warb Zyperns frisch gewählter Präsident Nikos Anastasiadis, der in der Präsidialdemokratie Zypern als Staats- und Regierungschef fungiert, am Sonntagabend in einer dramatischen Rede an die Nation noch für den umstrittenen Eurogruppen-Beschluss. Zuvor war die Parlamentssitzung um 24 Stunden verschoben worden. "Wir haben nur die Wahl zwischen einem ungeordneten Staatsbankrott und einem schwierigen, aber kontrollierbaren Zustand. Es gibt keine dritte Option", sagte Anastasiadis. Doch auch am Montagvormittag wurde Anastasiadis bei einer eigens anberaumten Unterrichtung der Parlamentsabgeordneten klar: In dieser Form kann der Gesetzentwurf das Parlament nicht passieren.

Ungewisse Mehrheiten

Ob die Sonderabgabe auf Sparguthaben im 56 Sitze umfassenden Parlament aber überhaupt jemals die erforderliche Mehrheit von 29 Abgeordneten erhalten könnte, ist mehr als ungewiss. Hintergrund: Das Anastasiadis-Lager verfügt zusammen über nur 28 Sitze und selbst ansonsten loyale Abgeordnete des Anastasiadis-Lagers sträuben sich gegen die Sonderabgabe. Die DHKO-Partei, eine der Parteien des Anastasiadis-Lagers, will nur unter drei Bedingungen grünes Licht zum Gesetzesentwurf geben: Erstens habe die EZB eine schriftliche Zusage zu erteilen, wonach sie Zyperns Bankensystem bei einem Banken-Run auf Zypern mit ausreichender Liquidität versorgen werde. Zudem habe die potenzielle Geldgeber-Troika aus EU, EZB und Internationalem Währungsfonds dem klammen Euro-Land zuzusichern, nicht einen neuen "Haircut" der Spar- und Termineinlagen bei Zyperns Banken sowie neuerliche Kürzungen bei Löhnen, Gehältern und Renten aufzuerlegen. Schließlich solle umgehend ein Fahrplan zum Loshaken von dem noch nicht unter Dach und Fach gebrachten Kreditabkommen mit der Troika vereinbart werden. Den Antrag auf Gewährung eines Hilfskredits aus dem Euro-Mechanismus hatte Nikosia bereits Ende Juni gestellt.

In Nikosia gilt es als fast, dass der einflussreiche DHKO-Abgeordnete Nikolas Papadopoulos, der dem parlamentarischen Finanzausschuss vorsteht, sowie die DHKO-Abgeordneten Georgios Prokopiou und Antonios Antoniou einen Haircut der Spar- und Termineinlagen grundsätzlich ablehnen. Ebenso die Opposition aus kommunistischer Akel-Partei mit 19 Abgeordneten, Edek-Sozialisten (5 Abgeordnete), Ökologen (1 Abgeordneter) und dem unabhängigen Abgeordneten Koulias. Nur die kleine Eyroko-Partei mit zwei Abgeordneten, die an der Anastasiadis-Regierung beteiligt ist, ist in der Frage der Sonderabgabe offenbar gespalten.

Mit dem Rücken zur Wand versucht Anastasiadis weiter Zeit zu gewinnen - und Handlungsspielraum zu gewinnen. Wie am Montagnachmittag bekannt wurde, habe Anastasiadis für den späten Montagabend eine Reihe von Ministern, Vertreter des parlamentarischen Finanzausschusses, hochrangige einheimische Wirtschaftsvertreter sowie den Gouverneur von Zyperns Notenbank, Panikos Dimitriadis, zu Konsultationen geladen.

Derweil hat Zyperns Regierungssprecher Christos Stylianidis Meldungen dementiert, wonach der russische Gas-Gigant Gazprom eine Offerte zur Übernahme von pleitebedrohten Banken auf Zypern unterbreitet habe. Zudem widersprach Stylianidis dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble. Der hatte am Sonntagabend in einem ARD-Interview behauptet, dass Deutschland und der IWF bei der jüngsten Eurogruppen-Sitzung bereit gewesen waren, die Spareinlagen auf Zypern bis zu einer Höhe von 100.000 Euro zu garantieren und damit nicht mit einer Sonderabgabe zu belegen. Der Vorschlag sei, so Schäuble, von Zyperns Regierung, der EU-Kommission und der EZB abgelehnt worden. Stylianidis lapidar: "Das ist nicht genau so gewesen."

Sorge in Athen

Unterdessen verfolgt auch Athen den Zypern-Thriller mit zunehmender Sorge. Die Gründe sind vielfältig: Zyperns Realwirtschaft ist mit Griechenland eng verflochten. Zudem haben Tausende Griechen aus Angst vor einem Zusammenbruch des griechischen Bankensystems Gelder in Milliarden-Höhe in Zypern deponiert. Ferner unterhalten die drei zypriotischen Großbanken Bank of Cyprus, die Volksbank sowie Hellenic Bank mehr als 300 Filialen in Griechenland. Die betreffenden Guthaben in Höhe von insgesamt 14 Milliarden Euro seien aber ausdrücklich von der für Zypern beschlossenen Zwangsteilenteignung ausgeklammert, betonte Griechenlands Finanzminister Jannis Stournaras. Stournaras zufolge sei man darum bemüht, dass das Filialnetz der drei zypriotischen Geldinstitute in Griechenland samt Guthaben von einer griechischen Geschäftsbank absorbiert werde.

Beobachtern zufolge ist ein Banken-Run auch in Griechenland, dem Epizentrum der Euro-Krise, wegen der dramatischen Zuspitzung der Zypern-Krise nicht auszuschließen. Wie angespannt die Lage in Athen ist, belegt noch folgender Umstand: Nach geraumer Zeit trifft sich Premierminister Antonis Samaras mit seinen Koalitionspartnern zu Konsultationen am Dienstagabend um 18 Uhr Ortszeit in seinem Amtssitz "Megaron Maximou", wenn zeitgleich im 900 Kilometer entfernten Nikosia die wegweisende Parlamentsdebatte beginnen soll - falls es keine neue Verlegung gibt.