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Nullsummenspiel

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Netanjahus Rede vor dem Kongress hat die Kluft zum Weißen Haus vertieft.


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Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hat mit seiner Rede vor dem US-Kongress gegen ein Atomabkommen mit dem Iran stark Einfluss genommen. Das Problem ist, er hat damit gegenüber der Regierung von US-Präsident Barack Obama ein Nullsummenspiel erzeugt.

Zwei Wochen vor den Wahlen in Israel setzte Netanjahu mit dieser Rede, die sich als bestimmendste seiner Karriere herausstellen könnte, enorm viel aufs Spiel. Er begann wohlwollend mit Lob für Obama, was seine Kritik an der Diplomatie der US-Regierung noch verstärkte.

Netanjahu warnte, das angestrebte Abkommen würde im Nahen Osten ein "atomares Pulverfass" erzeugen und "zwangsläufig zum Krieg führen". Seine Rede hat die Kluft zum Weißen Haus vertieft, wo der stürmische Beifall für den israelischen Premier wie Tadel geklungen haben muss.

Netanjahu könnte Erfolg haben und den US-Kongress davon überzeugen, die größte außenpolitische Initiative Obamas entgleisen zu lassen. Oder Obama könnte sich durchsetzen und doch noch zu Ende führen, was Netanjahu als "sehr schlechten Deal" bezeichnet. Beides würde den US-israelischen Beziehungen schaden.

Zwei andere harte Landungen sind nach Netanjahus Auftritt möglich: Der Iran könnte weitere Zugeständnisse verweigern, die Verhandlungen aufgeben und sein Atomprogramm beschleunigen - und damit die USA und Israel zwingen, Militäraktionen in Betracht zu ziehen. Oder Netanjahu könnte bei den Wahlen am 17. März verlieren, was nach seiner geschickten Präsentation unwahrscheinlicher geworden ist. Am unwahrscheinlichsten ist jedenfalls, dass Teheran Netanjahus Schema zustimmt. Das offensichtlichste Problem des angestrebten Abkommens mit dem Iran ist, dass es einen neuen Bruch mit Israel verursachen würde. Washington und seine Verbündeten wären beunruhigt, dass Israel einseitig militärisch gegen das vorgehen könnte, was Netanjahu als existenzielle Bedrohung beschreibt.

Ein Abkommen mit dem Iran würde, wie Netanjahu warnt, eine neue Ära nuklearer Ausbreitung im Nahen Osten bedeuten. Saudi-Arabien, Ägypten und die Türkei würden den gleichen nuklearen Status erreichen wollen. Oder die US-Diplomatie könnte scheitern, zum Beispiel wegen der Verhärtung der Positionen der Verhandlungspartner, wegen neuer Sanktionen des US-Kongresses oder einfach wegen der Unfähigkeit, bestehende Klüfte zu überbrücken. Auch das würde wahrscheinlich zu größeren Spannungen führen. Netanjahu hat mit seiner Rede die Latte für Obama höhergelegt. Jeder Deal, den die US-Regierung mit dem Iran unterzeichnet, wird die Bedenken, die Netanjahu geäußert hat, berücksichtigen müssen. Bedenkt man, was im Nahen Osten auf dem Spiel steht, ist das eine gute Sache.

Wie US-Regierungsbeamte am Beginn der Verhandlungen sagten: Kein Deal ist besser als ein schlechter. Übersetzung: Hilde Weiss