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Nun doch Volksbefragung gegen Mur-Kraftwerk?

Von Martina Pock

Wirtschaft

Nicht Umweltsorgen, sondern fehlende Wirtschaftlichkeit könnte Todesstoß sein.


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Graz. Die Ziele der Energie Steiermark (Estag) klingen beinahe zu schön, um wahr zu sein: Öko-Strom erzeugen, die Mur sauberer machen, den Lebensraum an den Ufern aufzuwerten und obendrein den Fluss erlebbar machen. Doch gegen den Bau des neuen Mur-Kraftwerks, vier Kilometer flussabwärts des Zentrums der Stadt, aber dennoch mitten in Graz, hat sich in den vergangenen Jahren eine beachtliche Gegnerschaft formiert. Denn so "sauber", wie propagiert, scheint das Projekt nicht, wie aus der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) hervorging.

Durch den Bau würde sich die Grundwasserqualität verschlechtern, und eine nicht geringe Anzahl von zum Teil geschützten Tieren, wie die Würfelnatter oder der Huchen (Murlachs oder Rotfisch), wäre bedroht. Somit sollten die Pläne für das Projekt Mur-Kraftwerk eigentlich obsolet geworden sein, doch der Bescheid des Landes Steiermark fiel dennoch positiv aus: Das Kraftwerk sei von "übergeordnetem öffentlichen Interesse".

Kräftezerren um Kraftwerk

Der Protest gegen den Bescheid folgte prompt. Die Gegner rund um die Plattform "Rettet die Mur" gingen in Berufung und der Bescheid landete im August 2012 in zweiter Instanz beim Umweltsenat in Wien. Vor ein paar Wochen ist auch dieser positiv ausgefallen. "Der Bescheid für den Bau wurde vom Land Steiermark erlassen, in dessen Besitz wiederum 75 Prozent der Energie Steiermark (Estag) sind. Der Verhandlungsleiter der UVP in erster Instanz, also auf Landesebene, war Udo Stocker, der seines Zeichens auch bei anderen Projekten im Umweltsenat in Wien sitzt, wo der Bescheid in zweiter Instanz geprüft wurde", erklärt Clemens Könczöl von "Rettet die Mur". Auf Nachfrage will Stocker zu dieser Aussage "als einfaches Mitglied des Umweltsenats" keinen Kommentar abgeben. Nun wappnet man sich gemeinsam mit den Grünen, dem WWF oder der Umweltanwaltschaft für den Gang zum Verwaltungsgerichtshof.

Abwarten heißt es bei der Energie Steiermark. Dessen Aufsichtsrat machte in einer Aussendung noch einmal klar, dass weiterhin an dem Projekt festgehalten werde. Man müsse aber noch den Entscheid des Verwaltungsgerichtshofs und das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsanalyse abwarten.

Ob sich das Projekt in Puntigam als wirtschaftlich erweisen wird, ist höchst fraglich. Innerhalb der vergangenen fünf Jahre sind die Energiepreise auf dem internationalen Markt in den Keller gerasselt. Im Vergleich dazu wäre die Energie aus der Mur sehr teuer. Zudem würde das Kraftwerk, das 20.000 Haushalte mit Strom beliefern soll, im Winter nur ein Drittel der Jahresstrommenge produzieren.

Doch eine Volksbefragung?

Schon vor einigen Jahren hatte der damalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter eine Bundesrechnungshofprüfung für das Projekt gefordert. Doch der damalige Chef der Grazer SPÖ, Edmund Müller, schlug sich in der Sache auf die Seite von Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP); und auch ein Antrag der Grünen im steirischen Landtag auf eine "Prüfung der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit" durch den Landesrechnungshof, wurde von einer SPÖ-ÖVP-Mehrheit abgelehnt. "Diese Prüfung steht nach wie vor auf der Agenda, für den Fall, dass die Estag das Projekt jetzt nicht absetzt", so Könczöl. "Wir haben mit mehr als 30.000 Unterschriften gesammelt und auch schon genügend für eine Volksbefragung." Eine solche war 2011 von Nagl geplant gewesen; nach kurzer Zeit wurde sie jedoch wieder abgeblasen.

Doch nicht nur auf der Seite der Kraftwerksgegner wurden Unterschriften gesammelt. 2010 wurde von Urs Harnik eine E-Mail an 1800 Mitarbeiter der Estag ausgesandt, in der zum Sammeln von Unterschriften für das Kraftwerk aufgerufen wurde. Den besonders Fleißigen winkten sogar Preise, wie ein E-Bike oder eine Heißluftballonfahrt. Auch die Grazer KPÖ ist gegen den Kraftwerksbau. Sie unterstellt der Estag "Lobbying im großen Stil".