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Nun drohen in USA Hexenjagden

Von Michael Schmölzer

Politik

Washington - Nach den tödlichen Terroranschlägen in New York und Washington sind in den USA zahlreiche Amerikaner arabischer Abstammung Opfer von Attacken geworden. In Moscheen und Geschäften wurden Fenster eingeschlagen und Todesdrohungen hinterlassen, islamische Zentren wurden mit hasserfüllter Graffiti beschmiert, berichteten US-Zeitungen am Donnerstag. Moslemische Gruppen berichteten ihrerseits von mehr als 100 Fällen von Gewaltanwendung. In Österreich kam es noch zu keinerlei solcher Exzesse, die Islamische Gemeinde und die exil-afghanische Botschaft klagen allerdings über Drohanrufe.


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Der starke psychische Druck, der auf den USA seit den Terrorschlägen lastet, hat jetzt einige Amerikaner zu unkontrolliert-rassistischen Ausschreitungen bewogen. Als Feindbild müssen vor allem die Anhänger des moslemischen Glaubens herhalten. Ansatzweise kommen Erinnerungen an längst überwunden geglaubte Sündenbock-Vorstellungen auf, wie sie im Mittelalter nach Unglücksfällen üblich waren: So ist vor einem islamischen Zentrum in Irving, einem Vorort von Dallas in Texas, nach Angaben der "Washington Post" eine Reihe von Schüssen abgefeuert worden. Hazim Barakat fand die Scheiben seines Buchladens in Alexandria (Virginia) am Mittwochmorgen eingeschlagen und eine Notiz: "Ihr kommt in dieses Land, um zu morden. Ihr müsst auch sterben." In Rockville (Maryland) wurden Brandsätze in Teppichgeschäfte geworfen. An einer Moschee in San Francisco wurde die Tür mit Blut verschmiert. In Atlanta (Georgia) und Chicago (Illinois) wurden vor Moscheen und islamischen Zentren Polizeifahrzeuge stationiert. Moslemische Schulen in Detroit (Michigan) und Los Angeles (Kalifornien) wurden geschlossen.

Dank an Ashcroft und Powell

"Wir verurteilen die schrecklichen Anschläge auf das Schärfste. Wir sind schockiert und erbost über die Brutalität und teilen die Gefühle unserer Mitbürger", schrieben acht moslemisch-amerikanische Gruppen in einer Stellungnahme. Sie dankten Justizminister John Ashcroft und Außenminister Colin Powell für ihre Aufrufe, Amerikaner arabischer Abstammung nicht zu stigmatisieren. "Wir fordern unsere amerikanischen Mitbürger, die Regierung und die Medien auf, diesem Beispiel zu folgen und den Gruppen keine kollektive Schuld für die Attentate einzelner zuzuschreiben", so die Moslems.

Rachefeldzüge

Auch in New York sind Bewohner mit arabischem oder asiatischem Aussehen offenbar Opfer von Rachefeldzügen für die beiden Terror-Anschläge auf das World Trade Center geworden. Bürgermeister Rudolph Giuliani meinte am Mittwoch, der Polizei lägen mehrere Anzeigen solcher Übergriffe vor. Er warnte die Einwohner vor derartigen Angriffen, die bloß den Terroristen in die Hand spielten. "Wir haben es hier mit dem krankhaften Hass von Menschen auf andere Menschen zu tun, nur weil diese anders denken." Es wäre "wirklich grauenvoll", wenn New Yorker genauso handeln würden, warnte Giuliani. Sonderpatrouillen der Polizei würden in einigen Vierteln unterwegs sein und Beteiligte an rassistischen Gewalttaten festnehmen. Zudem seien die Patrouillen verstärkt worden, um möglichen Plünderungen vorzubeugen.

Auch Österreich betroffen

Auch Österreich ist in den letzten Tagen nicht vor antiislamischen Kundgebungen verschont geblieben. Am Donnerstag sind wie in den Vortagen immer wieder Drohanrufe bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft eingegangen, wie der Präsident der Organisation, Anas Shakfeh mitteilte. Verbale Drohungen sollen nach Angabe von Botschaftssekretär Armin Schuller auch in der exil-afghanischen Botschaft in Wien eingegangen sein. Daneben sei das Türschild der Botschaft beschmiert worden. Einige Drohanrufer konnten jedoch nach einiger Mühe davon überzeugt werden, dass es sich bei der Botschaft nicht um die Vertretung der Taliban handle. Die Staatspolizei sei bereits informiert worden.

Armin Schuller führt die völlig aus der Luft gegriffenen Anwürfe vor allem auf das Versäumnis deuschsprachiger Medien zurück, die zu wenig auf die international anerkannte Regierung Rabbani und dem Taliban-Regime differenzieren würden.