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Nun schließen auch Englands Schulen ihre Tore

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Neben vielen anderen Mitarbeitern der öffentlichen Dienste treten am Mittwoch erstmals auch die Lehrer in den Streik.


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London. In Großbritannien droht eine weitere Eskalation der bitteren Arbeitskämpfe dieses Winters. Am Mittwoch dieser Woche treten zum ersten Mal die Lehrer in England und Wales in den Streik. Man rechnet damit, dass über 100.000 Lehrer an den Streiks teilnehmen werden und jede zweite Schule ganz oder teilweise schließt an diesem Tag. Weitere Streiktage sind geplant. Auch Uni-Lektoren, Lokführer, viele Busfahrer und Zehntausende von Ministerialbeamten wollen die Arbeit niederlegen.

Am kommenden Montag werden dann erstmals am gleichen Tag Krankenpfleger und Ambulanzfahrer in den Ausstand treten. Assistenzärzte und Feuerwehrleute haben in Urabstimmungen ebenfalls für einen Streik gestimmt.

Hintergrund der Streiks ist die Weigerung der Regierung, den Mitarbeitern der öffentlichen Dienste einen Inflationsausgleich zu gewähren. Die Inflationsrate im Land liegt bei über 10 Prozent. Lebensmittelpreise sind im Januar sogar um fast 17 Prozent gestiegen.

Reallohn-Einbußen

Aber Premierminister Rishi Sunak und Schatzkanzler Jeremy Hunt wollen höchstens einer Lohnsteigerung von 5 Prozent zustimmen. Die Streikenden klagen, sie hätten schon in den letzten Jahren Reallohn-Einbußen hinnehmen müssen und verkrafteten weitere Einkommens-Verluste nicht mehr. Schon seit Wochen haben weite Teile des Klinik-Personals einzelne Streiktage eingelegt. Insgesamt 88.000 Arzttermine oder Operationen sollen in dieser Zeit ausgefallen sein.

Mit dem Streik der Lehrer erreicht die Tarif-Auseinandersetzung eine neue Qualität. Berufstätige Eltern jüngerer Kinder werden, da so viele Schulen geschlossen sein werden, zu Hause bleiben müssen. Für Mittwoch sind überall im Land Kundgebungen, auch gegen die von der Regierung angekündigte Verschärfung des Streikrechts, geplant. Bisher haben sich die Streikenden, vor allem im Klinikbereich, des Zuspruchs der meisten ihrer Mitbürger erfreut. Vor allem haben die Streiks die Aufmerksamkeit gelenkt auf die zunehmend schweren Arbeitsbedingungen in den öffentlichen Diensten, auf akute Personalengpässe und auf Krisen in der Infrastruktur, besonders in Schulen und Spitälern überall im Land.

Schulen und Kliniken melden eine hohe Abwanderungsrate qualifizierter Arbeitskräfte, die sich überfordert und gleichzeitig unterbezahlt fühlen. Letzten Umfragen zufolge erwägen vier von zehn Ärzten des Nationalen Gesundheitswesens, den Dienst zu quittieren wegen "unerträglichen" Arbeitsdrucks.

Im Bildungsbereich hat die nun auch die Schulen erreichende Streikwelle zu einer bemerkenswerten politischen Mobilisierung geführt seit der Bekanntgabe der Streikbeschlüsse vor zwei Wochen. In dieser Zeit hat die maßgebliche Lehrergewerkschaft NEU täglich 2.500 neue Mitglieder registriert.

Unvorhergesehene Probleme haben die Streiks in Nordirland geschaffen. Dort will man britische Soldaten anfordern, um im Klinikbereich auszuhelfen und Rettungswagen zu fahren. Im Zuge des Karfreitags-Friedensabkommens von 1998 hatte sich die Armee aber aus der Provinz zurückgezogen. Irisch-republikanische Dissidenten haben für den Fall einer Rückkehr mit Anschlägen gedroht.