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Nur 2 Prozent der Visaanträge wurden dieses Jahr abgewiesen

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Die Befürchtungen von NGOs, an der polnischen Ostgrenze, der neuen EU-Außengrenze, könnte ein neuer "Eiserner Vorhang" zufallen, haben sich vorerst nicht bewahrheitet. Nach Einführung der Visapflicht für Bürgerinnen und Bürger der Ukraine, Weißrusslands und Russlands ist die Zahl der Einreisen nicht massiv gesunken. Lediglich 1 bis 2 Prozent der Visaanträge wurden abgewiesen. Doch die Erleichterungen, die Polen mit seinen Nachbarstaaten ausverhandelt hat, wären nach dem Beitritt zum Schengen-Raum wohl kaum haltbar.


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Leere Straßen vor den Grenzübergängen, volle Konsulate: Dieses Bild ergab sich kurz nachdem Polen am 1. Oktober 2003 die Visapflicht für Einreisende aus den östlichen Nachbarstaaten eingeführt hatte. Doch über einen längeren Zeitraum betrachtet, ist es zu keinem drastischen Rückgang bei den Grenzübertritten gekommen. Zu diesem Ergebnis gelangen die polnische nichtstaatliche Stefan Batory-Stiftung und die Helsinki Foundation for Human Rights in einer jüngst veröffentlichten Studie.

So sind von Jänner bis Mai 2004 6,6 Prozent weniger Russinnen und Russen nach Polen eingereist als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die Zahl der Einreisenden aus der Ukraine ist um 16,2 Prozent gesunken, aus Weißrussland um 14 Prozent. In den ersten fünf Monaten des Jahres sind insgesamt knapp 425.000 Visa ausgestellt worden, 250.000 davon für Ukrainerinnen und Ukrainer. (Im österreichischen Konsulat in Kiev wurden im gesamten Jahr 2003 rund 46.000 Besuchsvisa ausgestellt, in Moskau an die 59.500.) Von den gestellten Visaanträgen wurden in den polnischen Konsulaten lediglich ein bis zwei Prozent abgewiesen. Ausgestellt werden die Dokumente binnen weniger Stunden oder Tage. All dies führt dazu, dass die Zufriedenheit der Antragsteller mit der Arbeit der polnischen Behörden hoch ist.

Diese positive Bilanz überraschte auch die NGOs. "Wir dachten, dass das Visa-System komplizierter und repressiver sein wird", erklärt Karolina Stawicka von der Batory-Stiftung. "Dennoch: Bei den Konsulaten gibt es Unterschiede, die einen arbeiten effizient, die anderen weniger." Und das größte Problem bleiben die Schlangen: Während in der Ukraine fast 70 Prozent der Antragssteller sich um ein Visum anstellen mussten, waren in Russland nur 20 Prozent gezwungen, Schlange zu stehen.

Schengen noch weit weg

Nach der EU-Erweiterung sind die Außengrenzen der Union weiter nach Osten gerückt. Polen hat dabei das längste Stück zu überwachen: 1.320 Kilometer. Zwar ist die finnisch-russische Grenze annähernd so lang, doch der Warenverkehr hat dort weit geringere Ausmaße. In Vorbereitung auf ihre EU-Mitgliedschaft mussten die Beitrittsländer ihre Grenzen verstärkt sichern, bis 2006 will die EU für den Ausbau von Grenzposten, den Kauf von Fahrzeugen und Hubschraubern, Ausrüstung sowie die Ausbildung der Polizisten und Grenzsoldaten fast eine Milliarde Euro bereit stellen.

Doch ein Beitritt Polens zum Schengen-Raum, dem außer Großbritannien und Irland alle alten EU-Staaten angehören, ist frühestens 2007 wahrscheinlich, vielleicht auch erst 2011 möglich. Bis dahin gelten die in den zwölf polnischen Konsulaten ausgestellten Visa nicht für andere EU-Staaten wie Deutschland oder Spanien. Und danach müssen Verträge, die Polen mit seinen Nachbarstaaten geschlossen hat, neu verhandelt werden.

Kostenloses Visum

Denn um die Beziehungen zu den Nachbarstaaten nicht allzu sehr zu belasten, wurden bei der Visaerteilung einige Erleichterungen durchgesetzt. So sind Polen bei der Einreise in die Ukraine von der Visumspflicht befreit, dafür erhalten Ukrainer ihr Visum kostenlos - ebenso wie die Bewohner der russischen Exklave Kaliningrad. Dies könnte nach einem Beitritt Polens zum Schengen-Raum abgeschafft werden.

Auch die Tatsache, dass nur zwei Prozent der Visaanträge abgelehnt werden, könnte sich als problematisch erweisen. "Für die Einwohner der Ukraine oder Russlands ist das erfreulich", erläutert Karolina Stawicka. "Doch andererseits wird der Verdacht geweckt, dass die meisten Anträge nur oberflächlich geprüft werden. Das könnte nicht nur auf Druck der EU sondern auch der polnischen Grenzbeamten geändert werden."

Die Stefan Batory-Stiftung will nun die Arbeit in den Konsulaten anderer EU-Staaten untersuchen und deren Effizienz vergleichen. Ein Ziel davon wäre, ein best-practice-Modell für die BürgerInnen der Ukraine, Russlands und Weißrusslands zu entwickeln. Zum anderen soll überprüft werden, ob es in den Konsulaten zu keinen Menschenrechtsverletzungen kommt.