Laut Wohnbaustadtrat Michael Ludwig gibt es überhöhte Mieten und Lagezuschläge nur im privaten Bereich.
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Wien. Man hört es immer häufiger: "Das Wohnen in Wien wird immer teurer." - "Keiner kann sich mehr die Mieten leisten." Wiens Wohnbaustadtrat Michael Ludwig sieht das anders. Er verweist auf Erhebungen der Statistik Austria und darauf, dass man in Wien sogar billiger als in Salzburg, Tirol und Vorarlberg wohnt.
"Wiener Zeitung": Viele Wiener beschweren sich über zu hohe Mieten - mit 1. April sind durch den Lagezuschlag tatsächlich etliche Wohnungen teurer geworden. Wie rechtfertigen Sie das gegenüber der Bevölkerung?
Michael Ludwig: Wenn man davon spricht, dass in Wien die Wohnkosten über der Inflationsabgeltung steigen, dann gilt das vor allem im innerstädtischen Bereich. Davon betroffen sind insbesondere jene Wohnungen, die nicht unter die Regelungen des Mietrechtsgesetzes fallen. Das sind nur 5 Prozent des Marktes. Und das bezieht sich vorrangig auf Neuverträge.
Das heißt, es gibt nur am privaten Markt Preissteigerungen?
Es gibt keine Preissteigerung über der Inflationsrate im geförderten Wohnbau. Im Gemeindebau entwickeln sich die Mieten sogar unter der Inflationsrate. Wir reden hier von 220.000 Gemeindewohnungen und 200.000 geförderten Mietwohnungen. 60 Prozent aller Wienerinnen und Wiener leben im geförderten Wohnbau und sind überhaupt nicht von den kolportierten Preissteigerungen betroffen.
Auch nicht bei Abschluss eines Neuvertrages?
Nein, denn die geförderten Wohnungen unterliegen den Förderungsbestimmungen der Stadt.
Wie viele Neuverträge gibt es im Jahr in Wien?
Durchschnittlich werden jährlich 50.000 neue Verträge abgeschlossen, davon 28.000 im privaten Bereich - das ist das Segment, wo man genau hinschauen muss. Denn dort werden bei drei Viertel aller inserierten Wohnungen die gesetzlichen Bestimmungen nicht eingehalten.
Aber waren nicht alle Mieter mit
1. April von den Lagezuschlägen in Wien betroffen?
Nein. Der Lagezuschlag betrifft ausschließlich einen Teilbereich von Altbauwohnungen - rund 30.000 -, die nach Richtwert vermietet werden. Die neuen Lagezuschläge können außerdem nur bei Neuabschlüssen angewendet werden. Die Lagezuschläge werden auch nicht durch die Stadt Wien festgelegt, sondern gemäß den bundesgesetzlichen Bestimmungen durch Kundmachung des Justizministers. Das Problem an der geltenden Regelung ist, dass sie nach den umliegenden Immobilienpreisen berechnet werden. Das heißt, durch die geltende Rechtslage wird es Vermietern ermöglicht, überteuerte Immobilienpreise an die künftigen Mieter weiterzuverrechnen.
Die mit der Flucht ins "Betongold" einhergegangenen Hamsterkäufe - eine Folge der Verunsicherungen auf den internationalen Finanzmärkten - haben gerade in der Innenstadt die Immobilienpreise in die Höhe getrieben. Da aber der Lagezuschlag nichts mit den Leistungen des Hauseigentümers zu tun hat, lehne ich ihn in dieser Form ab.
Was tut Wien dagegen?
Das Einzige, was wir machen können, ist eine Lagezuschlagskarte (siehe Grafik, Anm.), die wir bei Veränderung des Richtwertes entsprechend aktualisieren. Hier findet man die jeweils zulässigen Lagezuschläge gemäß den bundesgesetzlichen Bestimmungen ausgewiesen. An dieser Karte orientieren sich dann auch die meisten Mieter und Vermieter.
Und die müssen sich an diese Vorgaben halten?
Müssen sie nicht. In Wirklichkeit könnte man jeden Lagezuschlag aus Sicht des Mieters oder des Vermieters vor Gericht anfechten. Deswegen stellen wir auch diese Karte zur Verfügung, damit eben nicht jeder beliebige Lagezuschlag eingehoben wird und automatisch vor Gericht endet. Aber auf die Berechnung der Lagezuschläge haben wir keinerlei Einfluss.
Warum gibt es Bezirksteile - auch innerhalb des Gürtels - auf dieser Karte, in denen keine Lagezuschläge eingezeichnet sind?
Diese sogenannten Durchschnittslagen wurden von einem eigenen Beirat festgelegt. Da dieser Beirat durch Beschlussfassung der schwarzblauen Regierung nicht mehr zusammentreten kann, können die Zonen auch nicht mehr verändert werden.
Klingt paradox.
Deswegen fordere ich ja auch schon lange eine Novelle des Mietrechtsgesetzes.
Jetzt gibt es aber noch immer den Vorwurf, dass selbst die günstigste Smart-Wohnung noch zu teuer ist. Eine 30-Quadratmeter-Wohnung mit Klo am Gang um 200 Euro im Monat ist für einen Studenten heute nicht mehr zu finden.
Nein, aber Sie bekommen die Wohnung um diesen Preis mit WC-Ausstattung. Auch im Gemeindebau. Trotzdem bemühen wir uns, die Mieten zu stabilisieren und günstige Angebote zu schaffen. Wobei man sagen muss, dass Wien mit einem Wohnaufwand - Miete, Betriebskosten und Steuern - von 6,94 Euro pro Quadratmeter im Schnitt immer noch weit hinter Salzburg, Tirol und Vorarlberg liegt. In der Qualität wollen wir keine Abstriche machen. Keiner will mehr in einer Substandardwohnung wohnen - dieser Wunsch ist wohl mehr der Sehnsucht nach einem ungebundenen studentischen Leben geschuldet als einem Wohnbedürfnis. Ghettobildungen entstehen durch Substandardwohnungen - und die haben wir seit 1970 von 40 auf 4 Prozent reduziert. Von billigen Neubauten würden nur Spekulanten profitieren.