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Nur "Anti-Bibi" ist kein Programm

Von Fritz Edlinger

Gastkommentare
Fritz Edlinger ist Herausgeber der Zeitschrift "International" und Generalsekretär der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen.
© privat

Wird Israels Zukunft eine Gute? In der Koalition gegen Netanjahu finden sich Parteien, die alle Extreme der Parteienlandschaft repräsentieren. Konfliktpotenzial gibt es zur Genüge.


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Es scheint also geschafft: Die Ära von "König Bibi" neigt sich dem Ende zu. Wenn man den jüngsten Ankündigungen aus Israel Glauben schenken darf, dann haben sich acht recht unterschiedliche Parteien auf eine "Regierung des Wandels" geeinigt. Sie verfügen über eine hauchdünne Mehrheit im Parlament. Sollte Noch-Premier Benjamin Netanjahu, der nach wie vor um sein politisches - und auch rechtliches - Überleben kämpft, nicht noch ein Ass aus dem Ärmel ziehen, so wird eine neue Ära in Israel anbrechen. Ob diese eine gute werden wird, ist mehr als fraglich. Einfach wird es auf keinen Fall, zu kompliziert ist das Erbe. Zudem gibt es genügend Konfliktpotenzial innerhalb der Achterkoalition.

Zurecht wurde bereits von zahlreichen Kommentatoren die Frage gestellt, ob es ausreicht, einfach gegen Netanjahu zu sein. Ein oberflächlicher Blick auf die neuen Partner lässt diese Zweifel durchaus berechtigt erscheinen. Hier finden sich Parteien, die in der Tat alle Extreme der israelischen Parteienlandschaft repräsentieren. Dass beispielsweise die linkssozialistische Meretz in einer Regierung vertreten sein wird, der auch die sattsam bekannte ehemalige Justizministerin und nun für das Innenressort vorgesehene Jamina-Politikerin Ayelet Shaked angehören wird, war noch bis vor kurzem völlig unvorstellbar. Für die palästinensische Ra’am ist dies noch eine weitaus größere Zumutung.

Fließende Grenzen zwischen verfeindeten Lagern

Tatsächlich ist die Beteiligung der Jamina-Partei die größte Überraschung. Deren Führer Naftali Bennett ist - neben Ayelet Shaked - wohl der radikalste Wendehals im Team des Wandels. Er ist, wie sein stärkster Partner in der kommenden Regierung, Yair Lapid, an sich ein politisch Spätberufener. Nach einer erfolgreichen Wirtschaftskarriere schloss er sich zunächst Netanjahus Likud an. Er wurde 2006 dessen Stabschef, kurz danach bereits Verteidigungsminister. Daneben war er einer der Führer der Siedlerbewegung.

Im Laufe der Zeit entfremdete sich Bennett von Netanjahu, zuletzt hatte er sogar ein enges Verhältnis zurr ultrarechten Kach-Nachfolgepartei der Religiösen Zionisten unter dem bei den jüngsten Unruhen in Ost-Jerusalem mehrfach in Erscheinung getretenen Abgeordneten Bezalel Smotrich, der von liberalen Journalisten wie Gedeon Levy als faschistoider Schläger charakterisiert wird. Smotrich hat im Zuge des Wahlkampfes eng mit Netanjahu kooperiert, zu dessen Lager seine Partei - mit sechs Abgeordneten in der Knesset - nun gehört. Man sieht, wie fließend die Grenzen zwischen manchen Anhängern der gegenwärtig verfeindeten Lager sind.

Mehr Geld für Palästinenser - aber keine Lösung des Konflikts

Von Bennett selbst ist also eine ungebremste Fortsetzung der Siedlungspolitik zu erwarten, er hat sich wiederholt als vehementer Gegner einer Zwei-Staaten-Lösung geoutet. Man sollte davon ausgehen, dass für einige der in der zukünftigen Regierung vertretenen Parteien - zumindest Arbeitspartei, Maretz und Ra’am - dies schwer zu verkraften sein wird.

Für die stärkste Partei in der "Regierung des Wandels", Lapids Jesch Atid, scheint die Wirtschafts- und Sozialpolitik vorrangig zu sein. Offensichtlich war auch die Fortsetzung der seit Jahren de facto eingefrorenen Friedensverhandlungen mit den Palästinensern kein besonderes Thema bei den Regierungsverhandlungen. Die palästinensische Frage wurde in erster Linie aus der Sicht der israelischen Araber und deren sozialer und ökonomischer Lage heraus behandelt. Das war letztlich auch eines der Motive der islamisch-konservativen Ra’am, sich der "Regierung des Wandels" anzuschließen. Obwohl es noch keine Details zum Regierungsprogramm gibt, werden offensichtlich die palästinensischen Regionen in Israel deutlich mehr finanzielle Unterstützungen erhalten als bisher. Mit einer Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes hat dies natürlich absolut nichts zu tun.

Israel auf dem Wegzum gescheiterten Staat

Wie immer die Entscheidungen der nächsten Tage auch ausfallen werden, die kommenden Jahre werden für Israel keine leichten. Ob diese Regierung überhaupt vier Jahre überstehen wird, ist mehr als fraglich. Und ob es ihr gelingen wird, die extremen Polarisierungen, die zuletzt auch bei den Unruhen in Jerusalem und anderen Städten zum Ausdruck gekommen sind, zu überwinden, ist kaum zu erwarten. Dazu müssten zunächst manche der vorgesehenen Ministerinnen und Minister der neuen "Regierung des Wandels" über ihre Schatten springen.

Es mag vielleicht übertrieben und für manche Beobachter schockierend klingen, aber das heutige Israel ist nahe daran, ein gescheiterter (Hightech-)Staat zu werden. Und daran sind nicht nur die bisher um ihre Rechte betrogenen Palästinenser schuld.