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Nur auf Gefühle ist noch Verlass

Von Judith Belfkih

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Fakten haben sich zur Beschreibung und zum Verständnis der Welt zuletzt nicht also besonders zuverlässig erwiesen - vor allem seit es in der digitalen Hemisphäre vor alternativen Fakten oder gar Fake News nur so wimmelt. Wahr? Falsch? Oder doch nur relativ? Zu beinahe jeder Wahrheit erweist sich in Zeiten der Über-Information eine weitere als nicht minder wahr. Finde deine eigene Wahrheit! Es ist letztlich jede einzelne Konstruktion der Wirklichkeit so wahr wie subjektiv - es lebe die unendliche Personalisierung!

Doch auch die aus der subjektiven Wahrheit abgeleitete eigene Meinung hat sich nicht besonders bewährt in der Kommunikation über und vor allem mit der Welt. Mit dem Anspruch auf Wahrheit ausgestattet, beinhaltet Meinungsäußerung immer auch ein moralisches Aburteilen anderer Meinungen. Das Resultat: Lagerdenken, Hass im Netz, Gräben schüren.

Die jüngste Welt-Bewertungskategorie ist konsequenterweise der nächste Schritt in die Individualität - das Gefühl. "Wie geht es heute?", fragt eine renommierte deutsche Wochenzeitung ihre Leserinnen und Leser seit geraumer Zeit - differenzierte statistische Auswertungen und Grafiken inklusive. Freitag ist erfreulicher als Sonntag, ganz trist ist der Montag - zeigen die Ergebnisse. Das am meisten genannte negative Adjektiv am 1. Jänner war "verkatert", am 24. Dezember "einsam", am Tag der Bundestagswahl "ent-
täuscht". Ganz individuelle Stimmungen - aber nicht nur. In der Summe werden aus der subjektivsten aller Kategorien doch wieder so etwas wie handfeste Fakten.