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Nur Demos statt Referendum

Von Edgar Schütz

Europaarchiv

Votum am Samstag nicht möglich. | Separatisten in der Minderheit? | Vitoria/Wien. (apa) Am morgigen Samstag hätte es an sich soweit sein sollen: In Euskadi, dem spanischen Baskenland, war eine Volksabstimmung angesetzt. Zwar war die von den Medien kolportierte Bezeichnung "Unabhängigkeits-Referendum" rein inhaltlich etwas übertrieben, dennoch wollte die Zentralmacht in Spaniens Hauptstadt Madrid offenbar nichts anbrennen lassen. Die Abstimmung wurde vom spanischen Verfassungsgerichtshof verboten, so dass am 25. Oktober in Euskadi nur tüchtig demonstriert werden wird.


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Dabei wäre es ohnehin nicht direkt, sondern bloß implizit, um die Frage "Ja oder Nein" zur "Unabhängigkeit des knapp mehr als 2.000 Quadratkilometer großen Flecken im Norden Spaniens gegangen. Der baskische Regierungschef ("Lehendakari"), Juan Jose Ibarretxe von der Baskischen Nationalistenpartei (PNV) wollte die Bevölkerung Euskadis bloß über ihre Meinung zu etwaigen Friedensgesprächen mit der separatistischen Terrorgruppe ETA ("Euskadi Ta Askatasuna/Baskenland und Freiheit") befragen sowie über die Idee von Verhandlungen aller Parteien über ein Abkommen zur Ausübung des Selbstbestimmungsrechts und die Abhaltung eines Referendums darüber im Jahr 2010.

Die für Samstag geplante Abstimmung war im Juni vom baskischen Parlament in der Hauptstadt Vitoria-Gasteiz mit knapper Mehrheit beschlossen worden. Allerdings war es selbst in dieser Form sowohl für die Regierung des sozialistischen Premiers Jose Luis Rodriguez Zapatero als auch für die konservative Opposition in Form der Volkspartei inakzeptabel. Sie gingen vor Gericht.

Das Referendum sei verfassungswidrig, wurde geurteilt, womit auch das zu dessen Durchführung verabschiedete Gesetz als nichtig anzusehen sei. Die Begründung der Konstitutionshüter: In Spanien hat nur die Zentralregierung in Madrid die Befugnis zur Anordnung von Volksabstimmungen. Einzelnen Regionen ist diese Kompetenz nicht gegeben. Zudem käme eine Neuordnung des Verhältnisses zwischen dem Baskenland und dem spanischen Gesamtstaat einer Änderung der Verfassung gleich. Darüber müsste wiederum eine Volksabstimmung in ganz Spanien abgehalten werden.

Riegel gegen Abspaltung

Damit schob das Verfassungsgericht auch allen anderen denkbaren Referenden, die eine Abspaltung einzelner Regionen vom Rest Spaniens zum Ziel haben könnten, einen Riegel vor. Um sich gesetzeskonform von Spanien zu trennen, müssten beispielsweise auch die Katalanen alle anderen Spanier zur Überzeugung bringen, dass eine einvernehmliche Scheidung für beide Seiten die beste Lösung wäre. Derzeit scheint ein gesamtspanisches "Ja" für solche Schritte aber undenkbar.

Ibarretxe sagte das Referendum zwar ab, bewertete das Urteil jedoch als "eine Verachtung des baskischen Parlaments" und eine "demokratische Ungerechtigkeit". Daher kündigte der 51-Jährige auch an, den spanischen Staat vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu klagen, weil das Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt worden sei. Die Klage reichte Ibarretxe aber als Privatperson ein. Als Chef einer Regionalregierung, die organischer Bestandteil des spanischen Staates ist, sind ihm diesbezüglich die Hände gebunden.

Kritische Geister merken jedoch an, dass dem baskischen Ministerpräsidenten die Rechtslage bewusst gewesen sein muss, die Ansetzung des Referendums also möglicherweise auch ein politischer Schachzug war. Im Frühjahr stehen in Euskadi Regionalwahlen an. Da könnte Ibarretxe mit dem Verweis auf die Zentralisten in Madrid wieder mit nationalistischen Gefühlen zu punkten versuchen.

Rein taktisch gesehen könnte dem "Lehendakari" das Verbot daher sogar zupass kommen. Wie das Referendum ausgegangen wäre, ist nämlich schwer zu sagen. Umfragen zufolge gibt es im spanischen Baskenland nämlich gar keine sichere Mehrheit für die Befürworter eines eigenen Staates. Zwar geben fast die Hälfte der Bürger (47 Prozent) an, dass sie sich mehr als Basken denn als Spanier fühlen, ein klares "Ja" für einen eigenständigen baskischen Staat gibt es in der Regel aber nicht einmal von einem Drittel der Bevölkerung.