Nein, man werde sich "keinen politischen Weichspüler" verordnen, sondern der bisherigen Linie treu bleiben: Die FDP stehe weiter für soziale Marktwirtschaft, demokratischen Rechtsstaat, gesellschaftspolitische Liberalität und die Eigenverantwortung des Einzelnen, verkündete Generalsekretär Christian Lindner, einer der Kandidaten für den FDP-Vorsitz.
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Das ist eine recht vage Beschreibung des kleinsten gemeinsamen Nenners, der den Liberalen keineswegs das unverwechselbare Profil gibt, das sich Lindner wünscht. Der Generalsekretär schreibt den liberalen Ideen in einem Interview ein Wählerpotenzial von 20 Prozent zu. Dass sie schon einmal fast 15 Prozent Zustimmung fanden, ist allerdings nur zum Teil den FDP-Prinzipien zu verdanken. Ein guter Teil war wohl auch der vorangegangenen Regierungsform der großen Koalition geschuldet, die in Deutschland traditionell keinen guten Ruf hat.
Anders ist der Wahlerfolg von 2009 nur schwer zu erklären, denn damals war die Finanz- und Wirtschaftskrise schon voll ausgebrochen. Dass die Wähler in dieser Situation einer Partei, die der Regulierungsfunktion des Staates skeptisch gegenüber steht, so großes Vertrauen schenkten, ist im Grund erstaunlicher als der Rückfall der FDP danach.
Das Problem war indes schon in der Vergangenheit nicht die allgemeine Programmatik, sondern deren konkrete Ausformung. So hat einst der FDP-Politiker Jürgen Möllemann seine Partei auf einen Kurs ähnlich jenem der FPÖ einzustimmen versucht. Guido Westerwelle wiederum führte 2002 mit mäßigem Erfolg einen "Spaß-Wahlkampf". Erst als er sich auf einen wirtschaftsliberalen Kurs und eine bürgerliche Koalition festlegte, verflog die Identitätskrise, der Wahltriumph folgte.
Westerwelle beharrte indes, begleitet von forschen Sprüchen, trotz der angespannten Budgetlage auf Durchsetzung von Steuer erleichterungen - diese von manchen als Prinzipientreue gewürdigte Position wurde allerdings stark geschwächt durch den Umstand, dass die FDP Steuergeschenke an Hoteliers verteilte, von denen einige auch auf der Liste der Parteispender standen. Einst wollte Westerwelle die FDP zur "Volkspartei" machen, nun wurde sie den Ruf der Klientelpartei nicht mehr los. Die Rückgewinnung der Glaubwürdigkeit steht denn auch ganz oben auf der Agenda von Philipp Rösler, dem die besten Chancen auf die Westerwelle-Nachfolge gegeben werden. Und Lindner kritisiert seit einiger Zeit die Reduktion des Parteiimages auf die "Steuersenkungspartei".
Seine Person steht allerdings beispielhaft für die Unsicherheit, welche Linie in dem ewigen Streit zwischen den konkurrierenden FDP-Flügeln künftig obsiegen wird. Manche Kommentatoren sehen in Lindner einen Wirtschaftsliberalen, andere einen Sozialliberalen. Ähnlich widersprüchlich wird auch Rösler gesehen. Ob eine derart unbestimmte Programmatik bei den Wählern gut ankommt oder nicht, dürfte sich erst an den konkreten Taten der FDP erweisen.
Siehe auch:Auf Westerwelle folgt junge Garde