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Nur die Handlanger vor Gericht

Von Michael Schmölzer

Politik

Zwei Deutsche sind von ihrer Vergangenheit scheinbar eingeholt worden: Hans-Joachim Klein und Rudolf Schindler müssen sich in Frankfurt für den OPEC-Anschlag vor 25 Jahren verantworten. Die Drahtzieher des Attentats sind sie nicht.


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Am 21. Dezember 1975 stürmte ein Terrorkommando die Konferenz der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) in Wien. Bei dem Anschlag kamen drei Männer ums Leben, unter ihnen ein österreichischer Exekutivbeamter. Die Terroristen nahmen etwa 70 Geiseln, davon elf Ölminister der OPEC-Länder. Mit der Hälfte der Geiseln flogen sie aus Wien ab, später wurden alle Gekidnappten freigelassen.

Heute müssen sich in Frankfurt am Main zwei mutmaßliche Mittäter des Terroranschlags vor Gericht verantworten: Es sind dies der 52-jährige Hans-Joachim Klein und der 57-jährige Rudolf Schindler. Klein soll direkt am blutigen Anschlag beteiligt gewesen sein, Schindler soll ihn angestiftet haben. Beide haben ihre Wurzeln in der linksextremistischen Splittergruppe "Revolutionäre Zellen", die sich in Deutschland im Zuge der Studentenproteste der sechziger Jahre gebildet hatte und auf deren Konto seither zahlreiche Anschläge gehen. Doch Juristen und Terrorexperten sind sich einig: Vor Gericht stehen zwei nachgeordnete Handlanger. Die Fäden zogen damals vor 25 Jahren ganz andere. Der Anführer des Terrorkommandos war der venezolanische Marxist Illich Ramirez Sanchez, "Carlos" genannt. Der sitzt mittlerweile, für andere Verbrechen verurteilt, in Frankreich ein und kann von der deutschen Justiz nicht belangt werden. Bisher ist noch nicht einmal klar, ob ihn Paris als Zeugen überstellt. Der wahre Drahtzieher des Anschlags ist Carlos aber nicht. Klein will den lybischen Revolutionsführer Muhammar Gaddafi als Auftraggeber belasten, und die deutsche Staatsanwaltschaft glaubt ihm. Wie Prozessbeteiligte berichten, stützt die Aktenlage die These, dass der lybische Oberst den Anschlag initiiert hat. Allzu deutlich sollte das allerdings nicht zur Sprache kommen, warnen Außenpolitiker in Berlin: Man befürchtet diplomatische Verwicklungen.

Unterdessen beteuert der Angeklagte Klein, er habe bei dem Coup niemanden persönlich getötet. Nicht er, sondern Carlos habe den lybischen Gesandten Jusif Ismirli getötet. In einem Wutanfall. Carlos dagegen belastet aus seiner französischen Zelle den abtrünnig gewordenen Gehilfen: Klein habe den irakischen Leibwächter Ali Hassan Khafali getötet. Kleins Mitangeklagter Rudolf Schindler wiederum beteuert, das Opfer einer Verwechslung zu sein.

Ob Mord oder nicht, Hans-Joachim Klein ist zur Symbolfigur der bundesdeutschen Linken geworden. Mit seinem Buch "Rückkehr in die Menschlichkeit" hat er mit seiner Vergangenheit abgerechnet, der Gewalt abgeschworen. Das löste bei Sympathisanten lebhafte Diskussionen aus.