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Nur die Stimmung passt

Von Alexander Dworzak

Politik

Ausgerechnet Gegner von Schwarz-Rot verhandeln bei Energiethemen erfolgreich.


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Berlin/Wien. "Sigmar Gabriel agiert doch nicht wie eine Dampfwalze." Erstaunt kommentieren Verhandler der deutschen Konservativen die Performance des SPD-Parteichefs. Der vermeintliche Polterer Gabriel entpuppt sich als ergebnisorientierter Verhandlungsführer. Der Niedersachse gibt sich mal ironisch, mal konziliant - und ist im besten Einvernehmen mit Angela Merkel. Dementsprechend frohlockt die Kanzlerin, dass die Koalitionsverhandlungen "sehr gut" liefen.

Diese Meinung teilen immer weniger Deutsche. Nur noch 44 Prozent befürworten laut ZDF-Politbarometer eine große Koalition, unmittelbar nach der Wahl waren es 58 Prozent. Ab Anfang Oktober führte die konservative Union aus CDU und CSU mit Grünen und SPD Sondierungsgespräche, erst seit zwei Wochen laufen die Koalitionsverhandlungen. Aber schon jetzt wirken viele Verhandler träge - und die großen inhaltlichen Brocken sind weiter ungelöst.

Einer davon ist die Steuerfrage. Die Sozialdemokraten wollen den Spitzensteuersatz erhöhen und Vermögende stärker zur Kasse bitten. Njet, schallt es aus der CDU; sie beruft sich auf die aktuelle Steuerschätzung, wonach die Einnahmen von heuer 620,5 Milliarden bis 2018 auf 731,5 Milliarden Euro steigen werden - was wiederum die SPD bezweifelt. Ohne Steuererhöhungen wird man die von beiden Parteien gewollte Erhöhung der Pension für ältere Mütter aber kaum stemmen können. Und der von den Sozialdemokraten geforderte Mindestlohn von 8,50 Euro wird wohl unter den Parteichefs Merkel, Seehofer und Gabriel ausgeschnapst; die Verhandler in der Arbeitsgruppe finden keinen Kompromiss.

Zank um Symbolthemen

Weniger kostspielig, aber symbolträchtig sind die Auseinandersetzungen um Pkw-Maut und doppelte Staatsbürgerschaft. Die CSU macht ihre Unterschrift unter den Koalitionsvertrag von der Autobahngebühr abhängig. SPD und CDU werden die Regierung deswegen nicht platzen lassen und CSU-Chef Horst Seehofer diesen Triumph zähneknirschend zugestehen. Geschlossen lehnen die Konservativen den SPD-Vorstoß einer doppelten Staatsbürgerschaft ab. Bisher müssen sich in Deutschland geborene Migrantenkinder bis zum 23. Geburtstag für einen Pass entscheiden. Die Union will lediglich die Frist bis zum 30. Lebensjahr verlängern.

Die größten Fortschritte machen ausgerechnet die Verhandler im Bereich Energie, angeführt von Umweltminister Peter Altmaier (CDU) und Hannelore Kraft (SPD) - beide keine Freunde der großen Koalition. Nach der Reform des Emissionshandels haben sie sich am Freitag auf eine Kürzung der Ökostrom-Förderung, insbesondere bei Windkraft, geeinigt. Sollen die Koalitionsverhandlungen wie geplant Ende November abgeschlossen werden, braucht es mehr Kompromissfähigkeit à la Altmaier-Kraft.