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"Nur die Verrückten haben keinen!"

Von Christoph Irrgeher

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Es sind gute Zeiten für Pessimisten. Toleranz, Anstand, Demokratie: All das habe schon bessere Zeiten erlebt, sagen sie, nicht ganz zu unrecht. Allerdings: Müssen sich diese Schwarzmaler immer auf die großen Themen beschränken? Es geht ja auch im kleineren Rahmen manches vor die Hunde und würde sich ein Lamento verdienen. Etwa ein Alltagsphänomen namens Spam Mails.

Nun waren diese Mails schon immer Schrott. Aber was für ein Ansporn für die Gruselfantasie! Betreff "Potenzpillen mit der Lieferung": Gleich denkt man an dreckige Panscherwannen in fernen Landen. Der Betreff "Ich warte auf Ihre Antwort" kommt von der ungestümen, unverständlichen "Mili": "Ich kann mir schon vorstellen, wie unhöflich du mich mit deinen Armen hältst", seufzt sie und krönt ein derbes Sex-Angebot mit: "Ich will wirklich, dass du nicht bröckelst!" Wer hat sich das ausgedacht? Vor allem: Wer ist der Mann, der über diesen obskur übersetzten Pornosprüchen die Sonne der wahren Liebe aufgehen sieht? Es muss ihn geben. Sein Glaube ist lachhaft, aber seine Sehnsucht von tragischer Größe.

Diese Gedanken kann man sich aber langsam sparen. Spam ist nur noch selten ein Sendbote des Verruchten; er bewirbt nun Waren für die biederen Niederungen des Alltags. Nagelpilzkur, Klimaanlage, Sofa. Da droht kein PC-Virus, sondern nur der Schlaf. Immerhin: Das Dada-Deutsch ist dem Spam geblieben, und manches Offert weiterhin irreal bis illegal. Wie der Kratzentferner-"Wunderstift". Oder der Radarwarner fürs Auto: "Nur die Verrückten haben keinen!"