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Nur ein Etappensieg Clintons?

Von Brigitte Dusseau

Politik

Auch wenn US-Präsident Bill Clinton nicht mehr um sein Amt fürchten muß, seinen ärgsten Feind ist er damit längst nicht los: Kenneth Starr macht keine Anstalten, von seinem Plan abzurücken, den | Präsidenten für seine angeblichen und wirklichen Verfehlungen zur Verantwortung zu ziehen. In den Monaten seit September, als er seinen umstrittenen Bericht zur Lewinsky-Affäre ablieferte, hat der | Sonderermittler zahlreiche Spuren weiterverfolgt.


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Der Präsident muß spätestens nach Ende seiner Amtszeit im Jänner 2001 mit einem Strafverfahren wegen Meineides und Justizbehinderung rechnen · vielleicht auch schon früher, wenn Starr vor dem

Verfassungsgericht seinen Willen bekommt und dem öffentlichen Druck widersteht, endlich abzulassen von seiner Beute.

Im Weißen Haus wird jeder Schachzug des Sonderermittlers mit einer Mischung aus Angst und Haß beobachtet: Solange Starr in Clinton einen Kriminellen sehe, der hinter Gitter gehöre, sei unverminderte

Wachsamkeit angesagt, gestand ein Präsidentenberater dem Nachrichtenmagazin "Time". "Was immer Starr dazu trieb, derart gründliche Ermittlungen anzustellen, treibt ihn auch dazu, sie

abzuschließen", prophezeit der Rechtswissenschaftler Buckner Melton von der Universität von North Carolina.

In der Tat deutet vieles darauf hin, daß sich der gottesfürchtige Jurist auf einem Kreuzzug befindet, in dem Verhältnismäßigkeit oder Erfolgschancen keine Rolle spielen. Nach viereinhalb Jahren

Ermittlungen versucht er heute noch, mit Hilfe von strafrechtlichem Druck einen Kronzeugen gegen Clinton zu finden. In der Nebenaffäre um die ehemalige Wahlhelferin Kathleen Willey zerrte er jüngst

deren Bekannte Julie Hiatt Steele wegen Justizbehinderung vor Gericht. Im Auftrag der Republikaner soll er außerdem nachforschen, ob es im Weißen Haus ein geheimes Aufnahmesystem gibt.

Damoklesschwert

Das schärfste Damoklesschwert, das über dem Präsidenten schwebt, ist jedoch das Strafverfahren in der Lewinsky-Affäre, das Starr in zwei Jahren gegen den Privatmann Clinton anstrengen kann. Doch

selbst wenn Clinton verurteilt werden sollte, wäre eine Gefängnisstrafe unwahrscheinlich. Wer im Zusammenhang mit Ehebruch einen Meineid geleistet hat und nicht vorbestraft ist, bekommt in den USA

meist nur eine Geldbuße oder ein paar Stunden Sozialdienst aufgebrummt.

Versucht der Sonderermittler indes, Clinton noch während seiner Amtszeit anzuklagen, dann wird dieser weiter von seinen Regierungsgeschäften abgelenkt. Die Einsprüche gegen ein solches Verfahren

dürften bis zum Obersten Verfassungsgericht gehen: Bisher galt eine Strafanklage gegen einen amtierenden Präsidenten als tabu.

Die Gefahr für Starr besteht darin, daß er sich in seinem Eifer übernimmt. Schon berichtet die Presse, das Justizministerium plane eine Überprüfung seiner Methoden. Das Gesetz über die Tätigkeit von

Sonderermittlern läuft Ende Juni aus und dürfte nicht mehr in der alten Form verlängert werden. Zwar bliebe Starrs Auftrag von einer Änderung des Statuts unberührt. Doch ehemals loyale Anhänger wie

der konservative Journalist Stuart Taylor raten ihm schon jetzt öffentlich zu einem ehrenhaften Abgang, sobald sich der Staub um die Lewinsky-Affäre gelegt hat. Er könnte sonst noch zum Opfer seines

eigenen Lieblingsskandals werden.

Schon jetzt zählt er trotz seiner akribischen Aufklärungsarbeit, auf die er selbst so stolz ist, in den Augen der amerikanischen Öffentlichkeit nicht gerade auf der Seite der Gewinner.

Auf diese schlug es in den Vereinigten Staaten hingegen die Damenunterwäsche-Hersteller. Für sie war die Sexaffäre des Präsidenten mit seiner Miniröcke tragenden Ex-Praktikantin ein unverhoffter

Geldsegen: Im dritten Quartal 1998 steigerte sich der Umsatz von knappen Tanga-Slips nach Industrie-Angaben um elf Prozent, nachdem die Welt erfahren hatte, wie Lewinsky den Präsidenten verführte.