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ÖGB mit Ruf nach mehr Mitspracherechten für Mitglieder konfrontiert. | Ist demokratischer ÖGB auch ein mächtigerer ÖGB? | Wien. Demokratie und Sozialpartnerschaft waren noch nie die besten Freunde. Die österreichische Variante des Interessenausgleichs funktionierte umso reibungsloser, je weniger die jeweilige Basis mitzureden hatte. Das längst zur Legende gewordene Duo Rudolf Sallinger und Anton Benya verkörperte diese Art der Entscheidungsfindung. Was sie paktierten, hielt - der Mythos von der Sozialpartnerschaft als Nebenregierung war geboren.
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Spätestens seit dem Amtsantritt von Schwarz-Blau dürfen Arbeitnehmer-, Arbeitgeber- und Bauernvertreter jedoch nur noch dort mitreden, wo dies von der Regierung auch gewünscht ist.
Als wäre das nicht schlimm genug, sieht sich der ÖGB als direkte Folge der Bawag-Affäre und ihrer erdbebenähnlichen Auswirkungen nun noch mit einer Strukturreform-Diskussion konfrontiert, die auch die lautstarke Forderung nach mehr Mitsprache der einfachen Mitglieder enthält. Wengleich noch völlig offen ist, wie diese ausschauen könnte.
Wird aber ein demokratischerer Gewerkschaftsbund auch einen mächtigeren Präsidenten zum Chef haben? Immerhin gilt unter Politologen die weitgehende Ungebundenheit der Sozialpartner an Beschlüsse ihrer jeweiligen Basis als eines ihrer Erfolgsgeheimnisse. In kleinen Gruppen und hinter verschlossen Türen pflegt man sich leichter zu einigen.
Bis dato lag die Macht eines ÖGB-Präsidenten in Strukturen begründet: "Der ÖGB zählt zu den am stärksten zentralistisch ausgerichteten Gewerkschaftsorganisationen in Westeuropa, da die Einzelgewerkschaften keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen", erklärt Ferdinand Karlhofer von der Uni Innsbruck. Das könnte sich allerdings bald ändern, wird doch auch die Möglichkeit einer Stärkung dieser Teilgewerkschaften im Zuge der Reformdebatte diskutiert. Für die - zumindest formale - Machtstellung der künftigen ÖGB-Chefs keine verlockende Aussicht.
Deren Autorität müsste sich dann nämlich ganz auf ihr persönliches Charisma, ihre Führungsqualitäten konzentrieren, ist Karlhofer überzeugt. Für den Fall, dass die drei großen Machtblöcke im ÖGB - Metaller, Privatangestellte und Beamte - nicht ihre Partikularinteressen zurückstellen und wieder nur - wie bereits mit dem ehemaligen Jugendsekretär Fritz Verzetnitsch geschehen - einen schwachen Kompromisskandidaten aus einer unbedeutenden Teilgewerkschaft auf den Schild heben, hätte dies für die Durchsetzungskraft der Arbeitnehmer gravierende Folgen, ist Karlhofer überzeugt.
Ein großes Fragezeichen steht dabei hinter der Frage, welche Folgen das Finanzdebakel im Zuge der Bawag-Affäre auf die politische Durchsetzungsfähigkeit des ÖGB haben wird. Die Meinungen reichen hier von der Furcht mancher Wirtschaftsfunktionäre, der ÖGB könnte künftig in Lohnauseinandersetzungen aus Schwäche heraus verstärkt die Muskeln spielen lassen, bis hin zur Überzeugung, dass sich mit leerem Streikfonds schlecht streiken lasse.