Universitätsprofessor für Einführung von Biosprit, aber ohne Einfluss lobbyistischer Strukturen.
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"Wiener Zeitung":Was sagen Sie zur derzeitigen Biosprit-Diskussion in Österreich und Deutschland?Andreas Gronauer: Wir erleben hier einmal mehr, dass man mit bestimmten Annahmen beliebig rechnen kann. Je nach Interessenslage werden Wissenschafter gesucht, die ihre Betrachtungsräume begrenzen, um bestimmte Ergebnisse zu erzeugen - egal ob es sich um Euros, volkswirtschaftliche Daten oder Co2-Äquivalente handelt. Die Bevölkerung kennt sich nicht mehr aus.
Was kann man anders machen?
Global gesehen müssen wir schauen, dass wir die Bedürfnisse unserer Gesellschaft so weit wie möglich durch eine intelligente Nutzung der eigenen Ressourcen befriedigen. Da dürfen wir aber nicht mehr auf einzelne lobbyistische Strukturen Rücksicht nehmen, die monopolistisch strukturiert Macht ausüben. National und regional gilt es, die vorhandenen Potenziale und Technologien so effizient wie möglich zu nutzen - das heißt, auch Biosprit zur Verfügung zu stellen.
Biosprit ist also an sich ist gut?
Prinzipiell schon. Aber die Agrarindustrie steht schon in den Startlöchern und will die Intensität steigern. Dafür brauchen wir wieder ein Regulativ, das z.B. Naturschutz heißt. Erst wenn der gewährleistet ist, kommt ein langfristig sicherbares Erntepotenzial auf den Tisch, das ich regional in die Sektoren food, feed, fiber and fuel kanalisieren kann. Aber das darf nicht überregional be-regelt werden.
Sehen Sie die Biospritverordnung als Agrarförderung?
Der Agrarwirtschaft hilft sie. Und das ist in Ordnung, wenn es der Gesellschaft nachhaltig zugute kommt.
Ist der Ackerbau zur Biospriterzeugung nachhaltig?
Er kann nachhaltig sein. Oder auch nicht. Das ist abhängig von Standort, Wasser, Fruchtfolge und Düngungsniveau-Intensität.
Wäre es nicht nachhaltiger, Biosprit aus Abfallprodukten oder etwa Gülle herzustellen, anstatt extra dafür Ackerbau zu betreiben?
Da ist das Potenzial herzlich gering, weil es schon stark ausgeschöpft ist: Die Fäkalien vom Tier sind ja bereits durch einen "Reaktor" gelaufen, der die ganze Energie herausgefiltert hat. Das ist ökonomisch derzeit ineffizient, obwohl ökologisch die Verwertung in Biogasanlagen wünschenswert ist, weil der Düngewert erhöht wird und Emissionen in die Luft verringert werden.
Es gibt Experten, die sagen, man sollte das Geld lieber in verkehrsreduzierende Maßnahmen stecken als in die Spriterzeugung.
Da ist was Wahres dran. Es gab bereits in den 70er Jahren eine Studie von General Motors für neue Mobilitätskonzepte in urbanen Gebieten auf Basis von Elektrofahrzeugen mit Vernetzung zur Eisenbahn. Diese Sachen sind alle in Schubladen - an der Umsetzung hapert es leider.
Die Monopole bremsen also?
Ja. Aber die gesamte Frage der Ressourcenbewirtschaftung wird sich in Zukunft regionsspezifisch anpassen müssen. Ob es um Wärme, Strom, Lebensmittel oder Sprit geht - wir werden eine standorteffizientere Ressourcenwirtschaft erlernen müssen. Das ist ein altes biologisches Grundprinzip: Je höher die Diversität, desto höher die Stabilität. Allerdings stellt die dezentrale Produktion von Energie für die derzeitige Energiewirtschaft eine große Herausforderung dar, da sie Ihre Grundstrukturen anpassen muss.
Ist es sinnvoll, in Österreich die Biospritverordnung im Oktober umzusetzen?
Wenn ich mir anschaue, was Deutschland bei der Einführung von E10 alles verkehrt gemacht hat, dann sage ich, Oktober ist schon sehr knapp. Die Menschen an der Zapfsäule müssten erst davon überzeugt sein, dass es sinnvoll ohne Risiken ist, Biosprit zu tanken.
Gehen wir damit umwelttechnisch gesehen in die richtige Richtung?
Zwar verbessert Biosprit die Co2-Bilanz, aber wenn man sich ansieht, wieviel CO2-Äquvalente an fossilen Brennstoffen im Verkehr verbraucht werden und wieviel das auf Ackerflächen umgerechnet wäre, dann wird klar, dass sich das nie ausgehen kann. Das bedeutet, dass wir auch hier unsere Bedürfnisse nur durch Vielfalt befriedigen können.
Das heißt?
Das heißt, wir brauchen nicht mit einem SUV in Wien herumfahren. Es gibt auch Elektro- oder Gasfahrzeuge und Öffis. Die Hauptfrage ist aber: Wie lange funktioniert unser Mobilitätskonzept noch? Und damit sind wir wieder bei den Schubladen.
Zur Person:
Andreas Gronauer ist Professor für Agrarsystemtechnik, leitet das Institut für Landtechnik im Department für nachhaltige Agrarsysteme an der Boku in Wien und ist Präsidialmitglied im Fachverband von Biogas Deutschland.