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Nur ein kurzes Durchatmen

Von Klaus Huhold

Europaarchiv

Topolanek hat mit Rebellen in eigener Partei zu kämpfen. | Effizientes Regieren kaum noch möglich. | Krise kurz vor EU-Präsidentschaft. | Mirek Topolanek hat das Misstrauensvotum überstanden, das die Opposition gegen ihn im Parlament eingebracht hatte. Doch es war nur ein kurzes Durchatmen: Denn ein starker Rückhalt sieht anders aus. Der tschechische Premier überstand mit 97 zu 96 Stimmen die Abstimmung denkbar knapp.


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Das Ergebnis zeigt, in welch prekärer Lage sich Topolanek und seine Regierungsmannschaft befinden. Die Mehrheit für das Kabinett ist äußerst gefährdet, wenn nicht schon inexistent. Die Koalition aus Topolaneks Bürgerpartei ODS, den Christdemokraten und den Grünen besitzt 100 der 200 Sitze im Parlament und ist auf zwei Überläufer aus den Reihen der oppositionellen Sozialdemokraten angewiesen.

Zudem hat Topolanek mit Rebellen in der eigenen Partei zu kämpfen. Die beiden Abgeordneten Juraj Raninec und Jan Schwippel haben die ODS-Fraktion verlassen, um gegen eine Erpressungsaffäre innerhalb der Partei zu protestieren. Der Hintergrund ist pikant: Der Abgeordnete Vlastimil Tlusty hatte sich mit einer Dame nackt im Whirlpool fotografieren lassen, um eine Erpressung innerhalb der ODS zu provozieren. Tatsächlich tappte ein Parteikollege in die Falle: Jan Morava zeigte Interesse an den ihm angebotenen vermeintlichen Skandalbildern.

Raninec, Schwippel und Tlusty (der noch Fraktionsmitglied ist, dem aber der Ausschluss droht) enthielten sich nun beim Misstrauensvotum gegen Topolanek der Stimme. Und sie gaben zu verstehen, dass sie es sich offenhalten, ob sie in Zukunft mit der Regierung stimmen werden. Auch zwei Parlamentarier der Grünen scherten aus, sie fehlten demonstrativ bei dem Misstrauensvotum gegen Topolanek.

Das sind fünf Abgeordnete, an deren Gängelband die Regierung nun hängt. Jedes Gesetzesvorhaben, jeder Vorstoß steht damit auf unsicheren Beinen. Und es sind keine Kleinigkeiten, die anstehen. Über die Stationierung eines US-Radars auf tschechischem Boden muss im Parlament noch abgestimmt werden, auch die Ratifizierung des Lissabonner Vertrags steht noch aus.

Hinzu kommt, dass Tschechien in zwei Monaten den EU-Vorsitz übernimmt. Die politische Krise kommt also zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.

Doch genau dies könnte Topolanek gerettet haben. Manche Abgeordnete sollen nur deshalb nicht gegen den Premier gestimmt haben, um dem Land eine vollkommene Handlungsunfähigkeit während der Zeit des Vorsitzes zu ersparen. Die EU-Präsidentschaft könnte damit die Galgenfrist für Topolanek verlängern, ein effizientes Regieren scheint aber kaum noch möglich.

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