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Nur eine Frage der Höhe des Labour-Sieges?

Von WZ Online

Politik

Einen Tag vor der Parlamentswahl in Großbritannien hat sich die Aufmerksamkeit am Mittwoch vor allem darauf gerichtet, mit welcher Mehrheit die Labour-Partei von Premierminister Tony Blair das Votum gewinnen würde. Der Wahlsieg schien Blair sicher: Laut der jüngsten Umfrage für die Zeitung "The Times" konnte Labour auf 41 Prozent der Stimmen hoffen, 14 Prozentpunkte vor den konservativen Tories mit 27 Prozent.


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Die Liberaldemokraten könnten demnach auf 23 Prozent kommen. Die Spitzenkandidaten legten am Mittwoch einen Wahlkampfendspurt hin, um noch Unentschlossene auf ihre Seite zu ziehen. Blair bekräftigte seinen Willen zum Weiterregieren.

Protestwähler

Da viele Wähler es Blair übel nehmen, Großbritannien gegen den Willen der Bevölkerung in den Irak-Krieg geführt zu haben, rechneten Beobachter mit Protestwählern. Viele Wähler könnten nach Überzeugung von Wahlforschern den Urnengang am Donnerstag entweder boykottieren oder für die Liberaldemokraten stimmen, die den von Anfang an Waffengang abgelehnt hatten.

Blair unternahm zum Wahlkampfabschluss eine Tour durch zahlreiche kleinere Wahlbezirke und warnte, eine niedrige Wahlbeteiligung könne den Konservativen den Wahlsieg schenken - eine These, die von den meisten unabhängigen Experten bezweifelt wurde. "Es gibt große Wahlen in allen Hauptfeldern der Politik, und es gibt nur eine Wahl in Sachen Regierung - eine Labour-Regierung oder eine konservative Regierung", rief Blair bei einem Auftritt in Nord-London. Er gelobte, Labour werde bis zur Schließung der Wahllokale "in jedem einzelnen Teil des Landes für seine Sache kämpfen".

Blair hatte die Labour-Partei 1997 und 2001 zu triumphalen Wahlsiegen geführt. Zuletzt hatte Labour 40,7 Prozent und eine Mehrheit von 165 Sitzen im Unterhaus, das künftig 646 Sitze zählen wird. Durch den Irak-Krieg schwanden jedoch seine Zustimmungsraten in der Bevölkerung. Im Wahlkampf hatten viele Kritiker die Frage gestellt, ob der Krieg berechtigt war und wie lange im Voraus Blair entschieden hatte, das Land in den Krieg zu führen.

Denkzettel von Moslemwählern

Mehr als zwei Jahre nach dem Beginn des Irak-Kriegs wollen viele britische Moslems Premierminister Tony Blair und seiner Labour-Partei einen Denkzettel verpassen.

Ein Viertel der Einwohner von Luton, das zwei Abgeordnete ins Parlament entsendet, sind Moslems, überwiegend bangladeschischer oder pakistanischer Herkunft. 2001 gaben ihre Stimmen den Ausschlag dafür, dass in beiden Wahlbezirken der Stadt Labour-Abgeordnete gewählt wurden. Vier Jahre später könnte das Wahlverhalten der Moslems in Luton und Orten mit einer ähnlichen Bevölkerungsstruktur Labour dort den Sieg kosten.

Dass die moslemische Wählerschaft massiv zur konservativen Opposition wechselt, ist kaum zu erwarten. Aber Labour befürchtet, dass die Moslems Wahlenthaltung üben oder ihre Stimmen "Respect" oder den ebenfalls gegen den Irak-Krieg auftretenden Liberaldemokraten geben könnten, was dann wiederum der Konservativen Partei zugute kommen könnte.

Wechsel an der Spitze möglich

Sollte Labour weniger als hundert Sitze Mehrheit im Unterhaus bekommen, gehen Beobachter davon aus, dass er bereits nach kurzer Zeit das Regierungsamt zu Gunsten seines parteiinternen Rivalen und Finanzministers Gordon Brown aufgeben könnte. Dem BBC-Radio sagte Blair am Mittwoch, "irgendwann" werde es einen Wechsel an der Regierungsspitze geben. Vorerst wolle er jedoch weitermachen, weil er "leidenschaftlich" an das Programm seiner Labour-Partei glaube und überzeugt sei, "dass ich etwas dazu beitragen kann".

Auch bei den Tories sagten Experten einen Wechsel voraus, sollte die Partei hinter den Erwartungen zurückbleiben: Sollte die Partei weniger als 200 Sitze im Paralament erringen, werde Howard wohl nicht weiter Parteichef bleiben, hieß es. Auch seine Vorgänger John Major und William Hague hatten die vergangenen Wahlniederlagen politisch nicht überlebt.