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Nur Europa kann Cantcun verhindern

Von Alexander Ochs

Gastkommentare

Und jährlich grüßt das Murmeltier. Der nächste Klimagipfel steht an. Jedes Jahr Ende November trifft sich die Welt, um über das Schicksal ihres Planeten zu entscheiden. Die Chairs der unterschiedlichen Arbeitsgruppen legen ihre Vertragsentwürfe vor, im Plenum versichern sich die Staaten ihres guten Willens, die Umweltorganisationen stellen ihre Forderungen, und am Ende der zwei Wochen fliegen die Umweltminister für den finalen Showdown ein und entscheiden: wenig Konkretes.


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Doch ganz so einfach ist es nicht. Es geht ja doch vorwärts, wichtige Einigungen sind erzielt worden, nur eben insgesamt viel zu langsam. Um dem Klimawandel tatsächlich Einhalt zu gebieten, da ist sich die Wissenschaft weitgehend einig, darf die globale Erwärmung zwei Grad Celsius in diesem Jahrhundert nicht übersteigen. Für die Industriestaaten heißt das: Reduzierung um bis zu 90 Prozent. Noch immer ist ein Inder für weniger als ein Sechstel der Emissionen eines Durchschnittseuropäers verantwortlich. Doch der Ausstoß steigt in fast allen Ländern weiter an.

Beim diesjährigen Zusammenkommen in Cancun geht es nicht um die Verabschiedung eines umfassenden globalen Klimapaktes. Das hatte man zwar eigentlich schon vergangenes Jahr erwartet, vom Treffen in Kopenhagen, von Umweltschützern vorher Hopenhagen, nachher Flopenhagen genannt. Doch diesmal sind die Ambitionen niedriger gesteckt. Um ein erneutes Fiasko, ein "Cantcun", zu verhindern, reichte es bereits, wenn man den Scherbenhaufen sortiert bekäme und die nötigen Verhandlungsfortschritte erzielte, um den Durchbruch 2011 auf dem Gipfel in Südafrika zu erzielen.

Cancun wird ein Arbeitstreffen, das mindestens Folgendes schaffen muss: Ein neuer Klimafonds für Anpassungsmaßnahmen in den ärmsten, am meisten gefährdeten Ländern muss aufgelegt werden. Die Industriestaaten haben 30 Milliarden Dollar bis 2012 und 100 Milliarden jährlich ab 2020 zugesagt, doch es ist nicht klar, wie öffentliche und private Kassen diese Mittel zuverlässig und transparent bereitstellen können und für welche Maßnahmen. Ergebnisse sind auch beim Waldschutz und Technologietransfer nicht zu viel verlangt. Und die Reduktionsmaßnahmen der Länder, seit Kopenhagen nun ohnehin nur freiwilliger Natur, müssen verschärft werden. Noch steuern wir auf mindestens drei bis vier Grad Erwärmung zu.

Für einen Erfolg braucht es vor allem eins: Führungsstärke. Die USA sind aufgrund des im Senat gescheiterten Klimapakets und der Wahlschlappe der Demokraten nicht in der Lage, den Prozess anzuführen. Dazu fehlt, einmal mehr, die Glaubwürdigkeit. Man befindet sich in einer ähnlichen Situation wie einst 2001, als der frischgewählte Präsident George W. Bush offiziell aus den Verhandlungen zum Kyoto-Protokoll ausstieg. Damals nahm die EU das Ruder an sich. Sie muss auch jetzt wieder zeigen, zum Beispiel durch neue Verpflichtungen im Rahmen von Kyoto, dass sie international führen kann. Selbst das Murmeltier ist mancherorts vom Klimawandel bedroht.

Alexander Ochs ist Direktor für Klima und Energie, Worldwatch Institute, Washington DC.