Im Fußball ist Brasilien fraglos eine Supermacht. Die Freude über den Weltmeistertitel ließ die rund 170 Millionen Brasilianer kurz die schwere Finanz- und Wirtschaftskrise vergessen, in der das größte Land Südamerikas steckt. Doch langsam werden sie wieder von der düsteren Realität eingeholt.
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Die Daten der größten Volkswirtschaft des Kontinents lassen Schlimmes befürchten, und nicht wenige sehen in Brasilien ein "zweites Argentinien". Dabei denken die Finanzexperten freilich nicht an die WM-Pleite des brasilianischen Nachbarn, sondern den Kollaps des argentinischen Finanz- und Wirtschaftssystems im vergangenen Jahr. Dort ist mittlerweile die Hälfte der Bevölkerung unter die offizielle Armutsgrenze gerutscht, das Land ist von den internationalen Märkten praktisch abgeschnitten.
Auch in Brasilien stehen die Zeichen auf Sturm. Die Inlandsverschuldung beträgt inzwischen mehr als 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die Armut wächst weiter. 55 Millionen, also rund ein Drittel der Bevölkerung, leben bereits unter dem Existenzminimum, 30 Millionen sind chronisch unterernährt. Als äußerer Ausdruck der Krise rutscht die Landeswährung Real immer weiter historischen Tiefständen entgegen. Nach Ansicht von US-Finanzexperten sind Investitionen in Brasilien so riskant wie sonst nirgends auf der Welt - sieht man einmal von Nigeria und eben Argentinien ab. Vor 18 Monate noch galt Brasilien als robuste Volkswirtschaft. Doch die weltweite Konjunkturschwäche, eine hausgemachte Energiekrise und der Kollaps des wichtigen Exportmarktes Argentinien haben das Land in den Würgegriff genommen. Gegenmaßnahmen von Zentralbank und Regierung sind bisher weitgehend wirkungslos verpufft. "Wenn es Fußball nicht gäbe, würde bei uns die Revolution ausbrechen", meinte kürzlich Stürmerlegende Pele.
"Wer sagt, dass Brasilien dem Fallout der argentinischen Krise entkommen ist, muss nun seine Position überdenken", charakterisiert Celso Pinto, Chefredakteur der Wirtschaftszeitung "Valor", die Situation. Der Kommentator Clovis Rossie von der Zeitung "Folha de Sao Paulo" bezeichnete die Verschuldung des Landes als "eine Zeitbombe, die bereit ist, im Schoß der nächsten Regierung zu explodieren".
Für Marcelo Carvalho, Chefökonom der Bank of America in Sao Paulo, hinkt der Ländervergleich: Brasilien habe im Gegensatz zu Argentinien primär Binnenschulden und verfüge über eine flexible Währung.