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Nur jeder Achte bekommt die Hilfe, die er braucht

Von Ghada Waly

Gastkommentare

Es braucht mehr Solidarität und staatliches Engagement, damit Covid-19 die Bedrohungen durch illegale Drogen für die Armen und Verletzlichsten nicht verschärft.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Mehr Menschen konsumieren Drogen, und es gibt mehr illegale Drogen als je zuvor. Die Corona-Krise hat unsere Anfälligkeit gezeigt, mit belasteten Gesundheitssystemen und sozialen Sicherheitsnetzen, die an ihre Grenzen stoßen. Der durch die globale Pandemie verursachte Konjunkturabschwung könnte mehr Menschen zu Suchtmittelmissbrauch treiben oder sie verleiten, sich am Drogenhandel und der damit verbundenen Kriminalität zu beteiligen.

Hier waren wir schon einmal. Während der weltweiten Rezession nach der Finanzkrise 2008 suchten Drogenkonsumenten nach billigeren synthetischen Substanzen, und intravenöser Drogenkonsum nahm zu, während Regierungen die Budgets für den Umgang mit der Drogenproblematik reduzierten. Gefährdete und marginalisierte Gruppen, Jugendliche, Frauen und arme Menschen sind am stärksten betroffen. Vor der nun schlimmsten sozioökonomischen Krise seit Generationen stehend, können sich Regierungen nicht leisten, die Gefahren, die illegale Drogen für die öffentliche Gesundheit und Sicherheit bringen, zu ignorieren.

Auf der ganzen Welt werden die Risiken und Konsequenzen des Drogenkonsums durch Armut, eingeschränkte Möglichkeiten für Bildung und Arbeit, Stigma und sozialen Ausschluss verschlimmert, was dazu führt, dass Ungleichheiten vertieft werden und wir uns vom Erreichen der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) weiter entfernen. Während mehr Menschen in entwickelten als in Entwicklungsländern Drogen konsumieren und in reicheren Gesellschaftsschichten eine weitere Verbreitung von Drogenkonsum herrscht, entwickeln Menschen, die sozial und ökonomisch benachteiligt sind, mehr Erkrankungen aufgrund von Drogenkonsum.

Weltweit rund 35,6 Millionen Kranke durch Drogenkonsum

Laut Weltdrogenbericht 2020 des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung erhält nur einer von acht Menschen, die eine drogenbezogene Behandlung brauchen, diese auch. Etwa 35,6 Millionen Menschen leiden weltweit an Erkrankungen durch Drogenkonsum. Einer von drei Menschen, die Drogen nehmen, ist eine Frau - aber nur eine von fünf Frauen bekommt auch eine Behandlung. Menschen in Haftanstalten, Minderheiten, Zuwanderer sowie Menschen auf der Flucht sind aufgrund von Diskriminierung und Stigma mit Hürden bezüglich Behandlungen konfrontiert.

Rund 269 Millionen Menschen nahmen im Jahr 2018 Drogen, eine Steigerung von 30 Prozent seit 2009. Jugendliche und junge Erwachsene zählen zur größten Gruppe derer, die Drogen nehmen. Während der Anstieg das Bevölkerungswachstum und andere Faktoren widerspiegelt, zeigen die Daten, dass illegale Drogen vielfältiger, stärker und besser verfügbar sind. Gleichzeitig sind mehr als 80 Prozent der Weltbevölkerung, hauptsächlich in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen, beim Zugang zu kontrollierten Substanzen zur Schmerzbehandlung und anderen wichtigen medizinischen Anwendungen benachteiligt.

Regierungen haben wiederholt zugesagt, bei der Bewältigung der Herausforderungen durch das weltweite Drogenproblem zusammenzuarbeiten, in den Nachhaltigkeitszielen und in der von der Suchtstoffkommission angenommenen Ministererklärung von 2019. Aber die Daten zeigen, dass die Unterstützung im Laufe der Zeit gesunken ist, was sowohl die Zusagen der Regierungen als auch die regionale und globale Koordination gefährdet. Die Entwicklungshilfe für die Drogenkontrolle ist zwischen 2000 und 2017 um etwa 90 Prozent gesunken. Finanzierungen für die Drogenbekämpfung könnten unter anderen Budgetlinien bereitgestellt werden, aber es gibt wenig Beweise für eine Berücksichtigung dieser Priorität bei den internationalen Geldgebern. Hilfe für alternative Entwicklung - Schaffung von tragfähigen, legalen Formen der Einkünfte, um armen Bauern zu helfen, den illegalen Anbau von Schlafmohn oder Kokasträuchern zu stoppen - bleiben sehr gering.

Eine ausgeglichene, umfassende und effektive Antwort auf Drogen hängt von gemeinsamer Verantwortung ab. Ich appelliere an die Regierungen, ihren Verpflichtungen nachzukommen und Unterstützung anzubieten. Um niemanden zurückzulassen, braucht es größere Investitionen in evidenzbasierte Prävention sowie Behandlungen und andere Leistungen im Umgang mit Erkrankungen aufgrund von Drogenkonsum, HIV, Hepatitis C und anderen Infektionen. Wir brauchen internationale Zusammenarbeit, um den Zugang zu kontrollierten Substanzen für medizinische Zwecke zu verbessern und Umlenkung und Missbrauch zu verhindern, sowie für Strafverfolgungsmaßnahmen, um die Netzwerke der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität zu zerschlagen.

Zunehmendes Wissen um die Auswirkungen von Drogen auf Frauen und Männer, Junge und Alte sowie verschiedene soziale Gruppen kann die Behandlung verbessern. Die Anwendung von Alternativen zu Schuldsprüchen und Bestrafung bei angezeigten Fällen, in Einklang mit den internationalen Drogenkontrollübereinkommen, kann die Chancen auf eine erfolgreiche Rehabilitation und Wiedereingliederung verbessern.

Wir müssen mehr wissenund mehr helfen

Ein gesundheitszentriertes, rechtebasiertes und gendergerechtes Vorgehen bei Drogenkonsum und damit zusammenhängenden Erkrankungen bringt bessere Ergebnisse für die öffentliche Gesundheit. Wir müssen mehr tun, um diese Erkenntnisse zu verbreiten und ihre Umsetzung zu unterstützen, am meisten in den Entwicklungsländern, einschließlich der Stärkung der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und Jugendorganisationen. Wir müssen mehr wissen und mehr helfen.

Während wir uns bemühen, die Corona-Krise zu bewältigen und uns davon zu erholen, können unsere Gesellschaften keine Bedrohungen durch illegale Drogen aufgrund von Unaufmerksamkeit und Vernachlässigung riskieren. Wir brauchen Drogenstrategien auf staatlicher Ebene sowie für die regionalen und interregionalen Herausforderungen. Regierungen müssen Finanzmittel mobilisieren und - noch wichtiger - für gesellschaftliche und institutionelle Unterstützung sorgen, und zwar nicht nur in einem Sektor oder einem Ministerium, sondern es braucht gemeinschaftliche und konsolidierte Bemühungen, um Wirkung zu erzielen. Alle Länder müssen größere Solidarität zeigen, um das Drogenproblem anzugehen und Widerstandsfähigkeit zu schaffen, damit sich die Welt von der Pandemie besser erholen kann.