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Nur keine festen Regeln, bitte!

Von Walter Hämmerle

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In Österreich gibt es für praktisch alles und jeden Vorschriften. Nur wie man ein Ministerium steuert, ist seltsam unbestimmt.


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Es gehört zu den bemerkenswerteren Besonderheiten Österreichs, dass ausgerechnet die Kernbereiche seiner politischen Kultur rechtlich allenfalls ungenügend, wenn überhaupt, erfasst sind. Das Primat der Politik scheut eben die Selbstfesselung durch verbindliche Normen. Prominentestes Beispiel ist zweifellos die Sozialpartnerschaft, deren Macht sich zur Hauptsache aus der personellen und institutionellen Verflechtung mit SPÖ und ÖVP ergibt. Es gilt aber auch für die zentrale Nahtstelle, an der Politik und Verwaltung aufeinandertreffen: die politische Steuerung von Ministerien. Im Mittelpunkt steht dabei das Verhältnis der beamteten Hochbürokratie, den Sektionschefs, mit dem verlängerten Arm des Ministers, dem politischen Kabinett.

Der Verwaltungsjurist Wolfgang Gratz hat sich diesem - öffentlich akut unterbelichteten - Thema in seiner Studie ("Zur Ausgestaltung der Nahtstellen zwischen Politik und Bundesverwaltung in Österreich", Wien, Juli 2012) gewidmet und dafür sowohl aktive wie auch ehemalige Sektionschefs und Kabinettsmitarbeiter befragt. Seine Ergebnisse und Schlussfolgerungen sind durchaus bemerkenswert.

Das gilt etwa für den Umstand, dass eine Verwaltung, die für ihre Handlungen den Grundsatz "quod non est in actis, non est in mundo" (Was nicht in den Akten steht, ist in der Welt nicht vorhanden) beansprucht, im Umgang mit den Kabinetten in hohem Maße über informelle Kommunikationsformen gesteuert wird. Dass eine solche Organisationskultur für Missbrauch anfällig ist, haben Gerichtsverfahren und Untersuchungsausschüsse in den vergangenen Monaten aufgezeigt.

Zu dieser Kultur gehört auch das in der Praxis weithin akzeptierte Fehlen klarer Regeln in Bezug auf die Rolle von Kabinettsmitarbeitern und ihre Stellung im Umgang mit der Hochbürokratie. Für den Verwaltungsexperten Gratz ein schlagender Beweis für die Gültigkeit der Theorie von der Selbstorganisation sozialer Systeme. Oder anders ausgedrückt: Der Grundsatz "mir wer’n kan Richter brauchen" gilt in Österreich sogar bei der politischen Steuerung von Ministerien. Was, wie Gratz treffend feststellt, sämtlichen Grundsätzen und Prinzipien eines guten Managements widerspricht.

In dieses Bild passt, dass der Großteil der befragten Sektionsleiter einer grundsätzlichen Veränderung des Status quo skeptisch bis ablehnend gegenübersteht. Das unklare Beziehungsgeflecht an der Nahtstelle zwischen Politik und Verwaltung wird zwar durchaus kritisch gesehen - insbesondere was die Rolle der politischen Kabinette anbelangt; fehlende feste Regeln schaffen jedoch auch Handlungsspielraum. Diese Sichtweise dürfte freilich auch die Politik teilen.

Gratz’ ernüchterndes Resumee: "Das Besondere in unserem Regierungssystem besteht wohl in dem hohen Ausmaß an Informalität, Diffusität und unscharfer Grenzziehung dort, wo von der Verfassung her klare Grenzen vorgesehen sind." Diese Merkmale machen auch vor der Beamtenschaft nicht Halt. Wie sollten sie auch, ist doch die Bürokratie fester Bestandteil des ewigen parteipolitischen Balanceaktes dieser Republik.