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Nur nicht blaumachen im Urlaub

Von Christian Rösner und Bernd Vasari

Politik
Dietmar Hollenstein

Die Wiener SPÖ hat ihre Funktionäre auf Kurs gebracht.


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Wien. Noch schnell vor dem Sommerurlaub hat die Wiener SPÖ am Montagabend 700 Funktionäre in der Marxhalle zusammengetrommelt, um sie gegen die FPÖ einzuschwören.

Bei dieser "internen Mitarbeiterkonferenz" präsentierte die Parteispitze das "Blaubuch FPÖ" - quasi als Urlaubslektüre für die Genossen, damit sie sich vor dem offiziellen Wahlkampfstart in konfliktorientierter Kampfrhetorik mit FPÖ-Befürwortern üben können. "Wir wollen ihnen Rüstzeug mitgeben, damit sie in Diskussionen bestehen können", erklärte SPÖ-Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Ursprünglich war das Treffen erst für August vorgesehen. Am Wochenende wurde dann bekannt, dass die Genossen nun doch schon jetzt gegen die Freiheitlichen eingeschworen werden. Zunächst wurde die Veranstaltung geheim gehalten. Erst am Montagnachmittag wurden die Medien darüber informiert, dass sie der Veranstaltung doch beiwohnen dürfen.

Diese startete sehr theatralisch mit einem Film, der zuerst Bilder von einer heilen, bunten Welt zeigte, die anschließend von Heinz Christian Strache zerstört wurde - in schwarz-weiß versteht sich. Ein verstörendes Szenario, das offensichtlich die Genossen wachrütteln sollte. Und dann kam die Botschaft: "Wer am 11. Oktober nicht zur Wahl geht, kann am 12. aufwachen und hat den Vogel dann tatsächlich im Rathaus sitzen", polterte Bürgermeister Michael Häupl. Und er versicherte: "Wenn ich nur von Gnaden der FPÖ Bürgermeister sein kann, dann will ich nicht mehr Bürgermeister sein." Koalitionsdebatten erteilte Häupl eine Absage. Auch den Personaldebatten - diese würden nur Schaden anrichten, betonte das Stadtoberhaupt.

"Der Faymann muss weg"

Dabei wurden diese Debatten vor Beginn der Veranstaltung sehr wohl von den Genossen geführt. "Der Faymann muss weg", hieß es das etwa. Oder: "Es ist ein Armutszeugnis es zuzulassen, dass im Burgenland eine Grundhaltung der SPÖ über Bord geworfen wird, nur um an der Macht zu bleiben." Doch nach der eindringlichen Rede Häupls schien der Frust vergessen. "Es sind ja nur die Burgenländer - und die gehen uns ja eigentlich nichts an", so der Grundtenor.

Häupl appellierte jedenfalls nachdrücklich dafür, die Inhalte des "Blaubuches" zu lesen, um sie anschließend "im Wirtshaus, in der Kantine, oder auf der Straße, wenn man Freunde trifft", weiterzugeben. "Das Wesentlichste ist, dass ihr mit den Leuten redets", betonte Häupl.

Die bei der Veranstaltung verteilte Broschüre umfasst 23 Seiten und listet akribisch alle umstrittenen Aktionen der FPÖ im Zusammenhang mit Rechtsextremismus auf und auch die Verbindungen der FPÖ zu Rechtsparteien in Europa - sowie auch alle Gerichtsverfahren und Urteile gegen FPÖ-Politiker. Außerdem versucht die SPÖ, den "kleinen Mann" wieder auf ihre Seite zu ziehen, stellt sie doch in der Broschüre FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache als Gegner der Reichensteuer hin, der Stiftungen unangetastet sehen will. Und zum Abschluss wird aufgezählt, was sechs Jahre Schwarz-Blau "angerichtet" haben.

SPÖ "zu Recht hochnervös"

Für den Politologen Thomas Hofer war die Veranstaltung ein weiteres Zeichen dafür, dass die Wiener SPÖ "zu Recht hochnervös" ist. Die rot-blaue Koalition im Burgenland, das Herschenken des SPÖ-Landeshauptmannsessels in der Steiermark, die Vergabe von Sozialwohnungen an SPÖ-Funktionäre und die Obmanndebatte um Bundeskanzler Werner Faymann müsse auch die Wiener SPÖ in Alarmzustand versetzen.

Zudem gebe es Spaltungstendenzen nicht nur in Oberösterreich oder der Steiermark, sondern auch in Wien. Hofer sieht diese in den Flächenbezirken, wie Floridsdorf, Donaustadt, Simmering oder Favoriten. Einige SPÖ-Funktionäre könnten sich dort genauso gut eine Zusammenarbeit mit der FPÖ vorstellen.

Es spreche aber für den hohen Organisationsgrad der Wiener SPÖ, dass sich bisher noch niemand für seine blaue Vorliebe geoutet hat. Im Gegensatz dazu steht etwa die oberösterreichische SPÖ, die laut dem Politologen mit Reinhold Entholzer einen sehr schwachen Parteichef hat. Montagfrüh sorgte die Linzer SPÖ für Aufregung, als sie mit Plakaten gegen ein geplantes Asylzentrum in Linz Stimmung gemacht hat. Das sei gratis Wahlkampf für die FPÖ, sagt Hofer.

In Wien scheint die Partei noch geschlossen hinter Bürgermeister Michael Häupl zu stehen. "Die Partei tut auch etwas, im Gegensatz zu anderen SPÖ-Gruppierungen, die die FPÖ nicht angreifen, sondern nur noch imitieren. Das ist der qualitative Unterschied. Man beweist somit Handlungsfähigkeit und versucht eine Front zu schließen, die weit offen ist." Das Signal an die Genossen sei klar: Man wolle weiterhin die Kommunikationshoheit behalten und sich nicht treiben lassen. Nachsatz: "So schwer es derzeit auch sein mag."

Es läuft nicht rund für die SPÖ

Dass die Wiener SPÖ nur reagiere und nicht agiere, sei allerdings ein Kardinalfehler, sagt der Politologe. "Das ist ein Blaubuch, es steht schon wieder Blau darauf." Es sei natürlich schwierig, derzeit ein Thema zu finden, das keinen blauen Anstrich habe, sagt Hofer. Die Asylfrage wandere wie eine heiße Kartoffel zwischen dem Innenministerium und den Bundesländern hin und her. Die FPÖ brauche nur zuzuschauen.

Die Wiener SPÖ müsste die FPÖ daher in Themenfelder zerren, wo diese weniger Kompetenz habe. Etwa bei Wohnpolitik oder Arbeitsmarkt. Es sei aber auch schon etwas spät, um mit eigenen Themen durchzukommen.

Dass die Wiener SPÖ sich auf die FPÖ einschießt, sei nicht neu. Bereits in den vergangenen beiden Wahlkämpfen haben die Genossen nur von der FPÖ gesprochen. Die SPÖ ist somit auch abhängig von der FPÖ. Nur mit dem Blaubuch wird die SPÖ nicht bestehen können. Abgesehen von der Abhängigkeit habe Hofer den Eindruck, dass auch sonst nicht alles rund läuft in der SPÖ.

Das beginnt in Wien mit der aktuellen Diskussion um den geförderten Wohnbau, die Gewog-Chef und Obmann des Dachverbandes der gemeinnützigen Bauvereinigungen Karl Wurm mit seinen privaten Wohnungskäufen losgetreten hat. Es geht weiter mit der Aufregung um SPÖ-Nationalrat und Bau-Gewerkschafter Josef Muchitsch, der für eine 37-Quadratmeter-Wohnung mit Balkon im 8. Bezirk unweit des Parlaments 285,99 Euro inklusive Betriebskosten bezahlt.

Und dann die Aussage des Fernsehmanagers Gerhard Zeiler, der im "Kurier" erklärte, er wäre unter bestimmten Umständen bereit, die SPÖ-Führung von Bundeskanzler Werner Faymann zu übernehmen. Was laut Beobachtern einer "Abschussfreigabe" Faymanns bedeute. Was wiederum auch die vom Traiskirchner Bürgermeister initiierte Facebook-
Seite "Rettungskongress" widerspiegelt, wo der SPÖ-Parteiführung unter anderem Perspektivenlosigkeit vorgeworfen wird.