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"Sustaining U.S. Global Leadership: Priorities for 21st Century Defense": Das ist der Titel des neuen Strategiepapiers für die US-Streitkräfte. Die Kursänderung könnte radikaler kaum ausfallen, im Vergleich dazu erscheint der umstrittene Umbau des österreichischen Bundesheeres zu einer Berufsarmee als lockere Aufwärmübung.
Der Fokus der USA verlagert sich vollends auf den pazifischen Raum; kein Wunder, wenn man bedenkt, das laut "Economist" China im Jahr 2018 die USA als weltweit größte Volkswirtschaft der Welt abgelöst haben wird. Zudem legt Peking erheblichen Ehrgeiz an den Tag, auch militärisch zur Supermacht aufzuschließen. Das macht die kleineren Nachbarn nervös und fordert die USA als pazifische Ordnungsmacht.
Europa gerät dabei zusehends aus dem Blickwinkel Washingtons, rangiert es doch hinter Asien und dem Nahen Osten nur noch an dritter Stelle. Dabei liegt die Versuchung nahe, diese Degradierung als gute Nachricht zu werten, immerhin war Europa nach 1945 das militärische Aufmarschgebiet Nummer eins. Das wäre jedoch naiv. Es geht nicht um die Eroberung fremder Länder, sondern um einen Beitrag zur Stabilisierung unsicherer Regionen. Und davon gibt es an den Rändern der EU mehr als genug.
Doch die Herausforderung kommt angesichts der wirtschaftlichen Unbill zur Unzeit. Mehr Geld für Militärs ist eine Illusion. Womöglich erweist sich der Spardruck allerdings als Segen für die sicherheitspolitische Integration der EU, die derzeit eher auf dem Papier schöngeschrieben wird, als dass sie in der Realität existiert. Die bejubelten Battlegroups haben realiter maximal die Schlagkraft eines Papiertigers. Noch immer regiert bei der Verteidigung das Primat der nationalen Souveränität, leere Kassen könnten aber ein Umdenken bewirken.
Nächstes Wochenende bietet sich für beide Seiten des Atlantiks Gelegenheit, die künftige militärische Lastenverteilung offen zu diskutieren. Zur "Münchner Sicherheitskonferenz" haben sich seitens der USA sowohl Verteidigungsminister Leon Panetta als auch Außenministerin Hillary Clinton angekündigt.
Möglicherweise findet sich demnächst Großbritannien in einer zuletzt ungewohnten Rolle wieder, als Mittler zwischen den Lagern. London ist als engster Verbündeter der USA von der Herabstufung Europas auf der Prioritätenliste Washingtons besonders betroffen; vielleicht schwingen sich die Briten ja jetzt zu Vorkämpfern für eine tiefere sicherheitspolitische Integration der EU auf. Dann müsste nur noch die Rolle der Nato an die neuen Aufgaben angepasst werden.
Keine kleine Aufgabe, aber eine notwendige.