Bei jedem dritten Kind agieren die Eltern kindzentriert, jedes zweite wird in einer pragmatischen Erziehungsform groß.
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Wien. Eine Umfrage pro Monat. Das ist in etwa der Schnitt von Familienministerin Sophie Karmasin, deren Ministerium 2013 wohl eher aus symbolischen Gründen geschaffen wurde. Aufgrund der föderalen Strukturen hat es kaum Gestaltungsspielraum. Aber Karmasin ist nun einmal die einzige weibliche Ministerin der ÖVP - und unverkennbar eine ehemalige Meinungsforscherin, womit wir wieder bei den Umfragen wären. Die aktuellste behandelt das Thema Erziehungskompetenz.
Das Österreichische Institut für Familienforschung hat dafür im Auftrag des Familienministeriums knapp 1000 Eltern online zu ihrem Erziehungsstil befragt. Nur noch 21 Prozent setzen demnach auf Autorität in der Erziehung, 29 Prozent agieren kinderzentriert. Die Hälfte sieht sich pragmatisch, stellt also eine Mischform dar. Insgesamt gibt es rund eine Million Eltern in Österreich.
Interessant dabei: Der Mangel an Höflichkeit und Respekt stört die Eltern aktuell am meisten, gefolgt von Ungehorsam und dem Nichteinhalten von Regeln und Grenzen. Danach kommen die Punkte Sturheit und Uneinsichtigkeit.
Die Wiener Jugendpsychologin Martina Leibovici-Mühlberger, Autorin des Buches "Wenn die Tyrannenkinder erwachsen werden", sieht sich in ihrer Theorie bestätigt. "Autorität ist in der Verantwortung begründet, die Eltern ihren Kindern gegenüber haben", sagt sie im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Dabei gehe es darum, eine "liebevolle Führungsperson" zu sein, die den Lebensraum des Kindes strukturiere und es fit für das Leben mache. Dazu zählen auch Höflichkeit und Respekt.
"Auch Montessori-Schulen haben autoritäre Lehrer"
In der Praxis sieht das laut Leibovici-Mühlberger so aus, dass Eltern die altersadäquaten Grenzen setzen, innerhalb derer die Kinder einen freien Gestaltungsraum haben. "Das Kind darf sich also zum Beispiel die Farbe der Strumpfhose selbst aussuchen. Es darf aber nicht ohne Strumpfhose oder nur mit den Sandalen hinaus gehen, wenn es eine Woche vor Weihnachten ist."
Das stehe auch nicht im Kontrast zur Montessori- und Waldorfpädagogik, bei denen der Satz "Hilf mir, es selbst zu tun" im Mittelpunkt steht. "Auch diese Schulen haben autoritäre Lehrer", meint Leibovici-Mühlberger.
Der Begriff autoritär bedeute allerdings nicht, unreflektiert seine Macht gegenüber dem Kind auszuspielen. Zu sagen: "Ich habe die Macht, darum hast du zu gehorchen", wäre auch bedauerlich, sagt die Jugendpsychologin. Eine Überkontrollierung sei ebenfalls der falsche Weg und eine Form der Bevormundung, "die das Kind nicht in die Gänge kommen lässt".
Laut Karmasin-Umfrage wissen jedenfalls nur 53,2 Prozent aller befragten Eltern, dass die Aussage, dass gerade Jugendliche eng gesetzte Grenzen brauchen, weil sie sonst zu aggressiv und orientierungslos seien, falsch ist. Der Wissensstand scheint grundsätzlich relativ niedrig zu sein. Weniger als die Hälfte der Befragten (47 Prozent) konnte drei Viertel der Wissensfragen richtig beantworten. Bei neun Prozent stimmte nicht einmal die Hälfte. Dass es in Österreich gesetzlich verboten ist, seinem Kind durch Anschreien und Beschimpfen seelisches Leid zuzufügen, wussten zum Beispiel nur 66,9 Prozent.
Dennoch hält Karmasin wenig von verpflichtenden "Elternführerscheinen", wie sie sagte. Denn Standardinstrumente in der Kindererziehung seien ihrer Ansicht nach wenig zielführend.
Das Ministerium setze vielmehr auf Angebote im Bereich Elternbildung. Online-Ratgeber wie die Webseite www.digi4family.at, die seit dem Vorjahr über die Möglichkeiten des Internets informiert, sollen ausgeweitet werden. Und wer weiß - vielleicht gibt es ja zu diesem Thema schon die nächste Umfrage.