Die großen IT-Konzerne und das Paradoxon der Privatsphäre im Internet.
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Möchte man sich auf Facebook registrieren, erfährt man: "Facebook ist und bleibt kostenlos." Und tatsächlich bedarf es nur einer Internetverbindung, um zahlreiche kostenlose Angebote nutzen zu können. Doch auch wenn die Nutzer einen Großteil des Werts selbst generieren (zum Beispiel auf sozialen Netzwerken, durch Suchanfragen, die dann für Vergleichszwecke herangezogen werden) und die Grenzkosten der Internetkonzerne dank unerschöpflicher Daten und günstiger Datenverbindungen gering sind, müssen diese doch Fixkosten, wie etwa Angestellte, Rechenzentren und anderes, decken. Dies geschieht insbesondere durch Werbung: Im zweiten Quartal 2017 verdiente Facebook damit 4,65 Dollar pro User, mit anderen Zahlungen (vor allem im Rahmen von Spielen) hingegen nur 8 Cent.
Im Grunde handelt es sich um ein Tauschgeschäft von Aufmerksamkeit und Daten gegen digitale Dienste. Was Kunden die Internetdienste pro Jahr wert wären, zeigte kürzlich eine MIT-Befragung unter einem repräsentativen Sample der US-Bevölkerung: Suchmaschinen 16.000 Dollar, Karten 2800 Dollar, Videos 900 Dollar und Facebook 750 Dollar. Hätte man all das im BIP erfasst, das ja primär auf Marktpreisen beruht, hätte zum Beispiel das US- BIP 2013 um 19 Milliarden Dollar höher sein müssen. Aber eigentlich müssten diese digitalen Dienstleistungen beim Kunden auch besteuert werden, was derzeit nicht der Fall ist.
Verteidiger von Privatrechten führen ins Treffen, dass weil Menschen auf Gratisangebote viel stärker reagieren als auf auch nur geringfügige Kosten, sie etwa auch dazu geneigt sind, mehr Informationen von sich preiszugeben, als sie es in einer normalen Markttransaktion täten. Man spricht hier auch vom Paradoxon der Privatsphäre: Viele Leute bekunden zwar lautstark, dass ihnen diese wichtig sei, doch ihre Handlungen legen oft andere Schlüsse nahe.
Wettbewerbsbehörden schreiten ein, wenn Preise über die in kompetitiven Märkten verlangten steigen. Nun könnte man meinen, dass Gratisangebote und eine nur einen Klick entfernte Konkurrenz zu einem sehr starken Wettbewerb führen und eine Monopol- oder Oligopolbildung verhindern würden. Doch weit gefehlt: In den meisten EU-Staaten hat Google einen Marktanteil von mehr als 90 Prozent, weshalb die EU im Juni wegen einer verzerrten Shopping-Suche eine Rekordstrafe von 2,42 Milliarden Euro gegen den IT-Konzern verhängte. Marktmacht kann hier dazu missbraucht werden, die Auswahl der Nutzer einzuschränken, mehr Informationen aus ihnen herauszuholen, als sie offenzulegen bereit wären, und die angebotenen Dienstleistungen mit Werbungen zuzukleistern.
Wie Ende 2016 bekannt wurde, soll Facebook für einen Zugang zum riesigen chinesischen Markt bereit gewesen sein, eine Zensur-Software zu entwickeln - mit entsprechenden gesellschaftlichen Folgekosten. Würde für die Datenbereitstellung seitens der Kunden etwas bezahlt, könnte dies zu einem produktiveren Online-Verhalten führen. Weiters wäre es auch denkbar, regulativ einzugreifen, um gegen Bezahlung Soziale Medien ohne Werbung nutzen zu können.