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Nur Ukrainer sind Privatsache

Von Vilja Schiretz

Politik

Für Asylwerber aus anderen Ländern als der Ukraine spielt private Unterbringung kaum eine Rolle.


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Der Schock war groß, die Solidarität auch. Als Ende Februar russische Truppen in die Ukraine einmarschierten, wollten viele Menschen in Österreich den Flüchtenden helfen - auch mit einem Dach über dem Kopf. So auch Clemens Frühstück, der sich mit seiner Familie dazu entschied, eine Flüchtlingsfamilie, das waren Mutter, Tochter, Enkelkind und eine Katze, in seinem Haus in Eisenstadt aufzunehmen. "Wenn ich auf der Flucht wäre, würde ich mir auch wünschen, dass mich jemand aufnimmt", begründet er die Entscheidung, das Gästezimmer zur Verfügung zu stellen.

Bis Mitte April, so berichtete der damalige Flüchtlingskoordinator Michael Takacs, hatten Privatpersonen bereits rund 47.000 Quartierplätze bei der Bundesagentur für Betreuungseinrichtungen und Unterstützungsleistungen (BBU) eingemeldet, zusätzlich zu organisierten Quartieren, damals waren nur 17 Prozent belegt. Mittlerweile sind es insgesamt 49.000 Plätze; der BBU liegen keine Zahlen vor, wie viele davon vergeben wurden. Das Gästezimmer der Frühstücks war in dieser Zahl aber noch nicht einmal enthalten, denn es wurde über eine private Initiative vermittelt.

Wenige Ankünfteaus der Ukraine

Seither ist der Zustrom der Ukrainerinnen und Ukrainer nach Österreich abgeebbt. Waren im März noch 41.585 Vertriebene aus der Ukraine registriert worden, waren es laut aktuellen Daten aus dem Bundeskanzleramt im Juli nur noch 3.354. Etliche der Vertriebenen sind wieder in ihr Heimatland zurückgezogen, so auch das Quartett (mit Katze), das seit März bei der Familie Frühstück gewohnt hat. Anfang Juli sind sie nach Kiew zurückgekehrt, zum Vater des Kindes, der im Land bleiben musste.

Wie viele der ukrainischen Vertriebenen mittlerweile Österreich wieder verlassen haben, dazu liegen dem Innenministerium keine Zahlen vor. Da im Land immer noch Krieg herrscht, ist es auch denkbar, dass diese Familien ein zweites Mal ihre Heimat verlassen, wenn sich die Sicherheitslage verschlechtern sollte. Insgesamt sind jedenfalls rund 79.000 Ukrainer mit dem speziellen Vertriebenenstatus, der ihnen ein langwieriges Asylverfahren erspart, in Österreich registriert. Das sind - zumindest bisher - deutlich weniger als die 150.000 bis 200.000, auf die Flüchtlingskoordinator Takacs Österreich im Frühjahr vorbereitet wissen wollte.

Was das für die vielen gemeldeten Privatunterkünfte bedeutet, lässt sich schwer nachvollziehen. Der BBU liegen zu Verfügbarkeit und Auslastung dieser Quartiere keine Statistiken vor, sie verweist auf die zuständigen Bundesländer. Zwar sammelte die BBU über eine Koordinierungsstelle die Meldungen, zur Überprüfung und schlussendlich auch zur Verteilung wurden die Adressen allerdings an die Bundesländer weitergereicht. Wer dort dann zuständig ist, variiert von Bundesland zu Bundesland: Hat sich etwa das Land Steiermark selbst der Quartierverteilung angenommen, liegt die Verantwortung in anderen Bundesländern bei Caritas, Diakonie oder Volkshilfe.

Volle Quartiere in Wienund Oberösterreich

Große Leerstände dürfte es inzwischen nicht mehr geben, ergab ein Rundruf der "Wiener Zeitung". Allerdings waren nicht alle der eingemeldeten Plätze tatsächlich für die Unterbringung Geflüchteter geeignet. Außerdem wurden viele Quartiere nur zeitlich befristet eingemeldet. In Wien etwa stehe "kaum mehr geeigneter und zumutbarer Wohnraum" zur Verfügung, heißt es von der zuständigen Diakonie. Man freue sich, wenn neue Unterkünfte gemeldet werden.

Auch in Oberösterreich sei die Auslastung groß, immer wieder würden neue Quartiere gesucht, da die befristeten Angebote auslaufen. Ähnlich in Burgenland. Vom Land heißt es von der zuständigen Stelle, man sei derzeit "quartiertechnisch sehr flach aufgestellt". Clemens Frühstück berichtet allerdings von Bekannten, die ein Quartier im Burgenland angeboten hätten, aber bisher vom Land noch nicht kontaktiert worden seien. In der Steiermark sind laut Informationen aus dem Büro der zuständigen Landesrätin jedoch noch freie Unterkünfte verfügbar, wird der "Wiener Zeitung" mitgeteilt.

Wenige Asylwerberin Privatunterkünften

Ein anderes Kapitel ist die Unterbringung von Flüchtlingen aus anderen Herkunftsländern. Sie müssen alle einen Asylantrag stellen. Bevor sie private oder organisierte Quartiere der Bundesländer beziehen können, muss geklärt werden, ob Österreich im Sinne der Dublin Verordnung für ihr Asylverfahren überhaupt zuständig ist. Bis dahin werden sie in Einrichtungen des Bundes untergebracht. Und diese dürften aktuell ziemlich voll sein.

Ohne konkrete Zahlen nennen zu wollen, spricht die BBU von einer "Auslastung auf hohem Niveau". Denn fehlen Kapazitäten in den Ländern, die sie bei Zulassung zum Verfahren übernehmen und versorgen müssen, verbleiben die Asylwerber ebenfalls in den Bundesbetreuungseinrichtungen. Laut Unterlagen, die der "Wiener Zeitung" vorliegen, sollten über 60 Prozent der Personen in den Einrichtungen des Bundes bereits in Landesquartiere übersiedelt sein. Bestätigen will die BBU diese Zahlen nicht, aufgrund der "täglich starken Schwankungen" sei das nicht möglich. Man sehe jedenfalls "keinen Grund, an der Erfüllungsbereitschaft der Bundesländer zu zweifeln". Im Gegensatz zu den Geflüchteten aus der Ukraine spielen Privatunterkünfte bei Asylwerbern aus anderen Ländern eine untergeordnete Rolle. Konkrete Zahlen nennt hier etwa die Volkshilfe Oberösterreich: Von 6.711 Menschen in Privatquartieren sind mehr als 6.000 Vertriebene aus der Ukraine, nur 529 Asylwerber kommen aus einem anderen Land. Auch die BBU gibt an, dass Privatunterbringungen von Asylwerbern vergleichsweise selten seien, der Großteil werde in organisierten Quartieren untergebracht.

Wäre es eine Möglichkeit, diese zu entlasten, in dem auch Geflüchtete aus anderen Ländern an noch leerstehende Privatquartiere vermittelt werden, die für Ukrainer eingemeldet wurden? Gänzlich ausschließen will man diese Option in den Ländern nicht, konkrete Pläne oder Aufrufe scheint es allerdings auch nicht zu geben.

Die Frage ist in den Ländern, in denen die Privatquartiere voll mit Menschen aus der Ukraine sind, eine theoretische. Doch auch in der weniger stark ausgelasteten Steiermark habe man noch keine Erfahrung mit der Vergabe solcher Unterkünfte an Asylwerber. Man müsste jedenfalls im Einzelfall nachfragen, ob Quartiergeber auch Menschen aus anderen Ländern aufnehmen würden, heißt es vom Land. Immerhin hätten die Menschen den Wohnraum explizit für geflüchtete Ukrainer zur Verfügung gestellt. Von der Volkshilfe Oberösterreich heißt es, Wohnungsbesitzer würden fast ausschließlich ukrainische Vertriebene aufnehmen.

Nach durchwegs positiven Erfahrungen mit der ukrainischen Familie könnte es sich Frühstück jedenfalls vorstellen, das Zimmer ein weiteres Mal anzubieten, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit. Längerfristig würde es im Haus dann für alle zu eng. Die Herkunft der Gäste spiele für die Familie dabei keine Rolle.