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Nur Wallungen als Indikation?

Von Christa Karas

Wissen

Für die Österreichische Krebshilfe und ihren Präsidenten Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda sollte es eine turbulente Woche werden: Kaum hatte die Krebshilfe am vergangenen Montag mit Bezug auf die in der britischen Fachzeitschrift "The Lancet" vom 9. August 2003 veröffentlichte Studie an einer Million Frauen vor allem vor der kombinierten Hormonersatztherapie gewarnt, liefen bei ihr die Telefone heiß. In den weitaus meisten Fällen waren es Frauen, die laut Krebshilfe-Geschäftsführerin Doris Sommer mitteilten: "Wir sind unglaublich dankbar, dass uns jemand die Wahrheit sagt."


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Vereinzelt, so Sommer, sei allerdings Kritik aus Ärztekreisen gekommen, wonach man die Mediziner voraus informieren hätte sollen. - Etwas absurd im Hinblick auf die Zugänglichkeit der Fachzeitschriften für Ärzte, noch mehr aber deshalb, weil auch andere Medien wie etwa die "Wiener Zeitung" vom 11. August 2003 ("Schwitzen oder Brustkrebs") bereits ausführlich über die alarmierenden Studienergebnisse berichtet hatten.

Die namhaftesten Experten wie der Wiener Krebsspezialist Univ.-Prof. Dr. Christoph Zielinsky (Leiter der Klinischen Abteilung für Onkologie an der Universitätsklinik für Innere Medizin I am Wiener AKH), Univ.-Prof. Dr. Ernst Kubista (Vorstand der auf Brustkrebs spezialisierten Abteilung für Spezielle Gynäkologie an der Wiener Universitäts-Frauenklinik) sowie der Salzburger Primarius Dr. Christian Menzel für die Österreichische Gesellschaft für Senologie - die für eine äußerst restriktive Verwendung des Hormonersatzes unter großen Auflagen und ständigen Kontrollen eintritt - schlossen sich indessen den Warnungen der Krebshilfe an.

Wie zum Teil berichtet, hatte die britische Studie für den Untersuchungszeitraum von 1996 bis 2001 eine bedeutende Erhöhung des Brustkrebsrisikos um 30 Prozent (nur Östrogen), 60 Prozent (Östrogen und Gestagen) sowie 45 Prozent (Tibolon) ergeben. Insgesamt war es bei Frauen unter Hormonersatz zu einer um 66 Prozent höheren Brustkrebsrate gekommen, während sich das Todesrisiko durch ein Mammakarzinom um 22 Prozent erhöht hatte. Und schließlich hatte noch eine weitere, im "New England Journal of Medicine" veröffentlichte Studie an 16.000 Frauen gezeigt, dass sich auch das Risiko von Herzkrankheiten und Schlaganfällen erhöht hatte, so dass die Studie vorzeitig abgebrochen wurde.

Zielinsky: "Im Grunde bleiben als Indikation für einen Hormonersatz nur noch schwere Hitzewallungen... Da muss man sich schon fragen, ob man die anderen Risiken dafür eingehen will. Ich halte das alles für eine Katastrophe."

Kubista trat indessen Zweifeln an den Studien entgegen: Diese seien zu einem Gutteil randomisierte (Zufallsauswahl der Probandinnen), Placebo-(Scheinmedikament-)kontrollierte doppelt-blind-Studien (niemand weiß, wer was einnimmt) "und entsprechen der akzeptierten rigorosesten Form von wissenschaftlichen Untersuchungen. Sie haben eine lange Beobachtungszeit und eine ausreichend große Fallzahl."

Fazit für den Experten: "Man kann also nicht sagen, diese wissenschaftlichen Studien gehen uns nichts an. Die Wissenschafter, die sie durchführten, sind im Grunde Pioniere. Sie haben uns zu einem Wissen gebracht, das wir bezüglich der Hormonsubstitution nicht gehabt haben. Dosierungen wie in diesen Studien und die verwendeten Medikamente werden auch in Österreich eingesetzt. In der britischen Beobachtungsstudie ist auch nicht nur ein Hormonpräparat untersucht worden, sondern gleich mehrere und auch noch in unterschiedlicher Dosierung." Man könne diese Untersuchungen nicht einfach negieren. Die Konsequenzen laut Kubista:

- Hormonersatz für Frauen im Wechsel nur noch bei schweren, nicht mehr annehmbaren klimakterischen Beschwerden.

- Kombinierter Hormonersatz von Gestagenen und Östrogenen nicht länger als drei Jahre.

- Strikte Überwachung der Patientinnen unter Hormonersatz bezüglich der Entstehung von Brust- und Gebärmutterkrebs.

- Keine Langzeittherapie per Hormonersatz gegen Osteoporose (Knochenschwund).

- "Frauen, die einen Hormonersatz zehn Jahre oder länger erhalten, sollte man davon wegbringen." Und: "Die Verwendung von Hormonen für 'Anti-Aging' und als 'ewiger Jungbrunnen' hat ausgespielt."

Als gut wirksame Alternativen gegen leichtere Wechselbeschwerden gibt es Präparate aus Rotklee, Soja, Traubensilberkerze, Nachtkerzenöl und Salbei (nur gegen das Schwitzen), die des besseren Effekts wegen miteinander kombiniert werden können.