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Nur was wichtig ist, wird reglementiert

Von Walter Hämmerle

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Für das Recht, Parteien zu gründen, wurde früher schon und wird heute noch viel gestorben. Österreich dagegen macht kaum etwas seinen Bürgern so leicht. Warum wohl bloß?


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Die Verfassungsrealität der Republik macht es uns Bürgern nicht wirklich leicht, uns gegen den Willen der organisierten Politik durchzusetzen: Wer in die Parlamente einzieht, bestimmen die Parteien. Wer die Regierung bildet, bestimmen die Parteien. Wer zum Höchstrichter berufen wird, bestimmen - direkt oder indirekt - die Parteien. Sogar bei der Anwendung direktdemokratischer Instrumente sind die Bürger auf die wohlwollende Unterstützung der Parteien angewiesen, wenn Letztere die Sache nicht gleich selbst in die Hand nehmen.. .

Langer Rede kurzer Sinn: Demokratie im Allgemeinen und in Österreich im ganz Besonderen funktioniert nicht ohne Parteien. In ihrem eigenen Selbstverständnis existieren sie mit, für und durch die Bürger. Doch der Wähler ist ein latent undankbares Wesen, dem man es nie wirklich recht machen kann. Kein Wunder, dass der Ruf "Neue Parteien braucht das Land" regelmäßig durch die Medienlandschaft schallt.

Es ist eine feine Ironie des heimischen Verfassungspositivismus, dass fast nichts dem Bürger so leicht gemacht wird wie die Gründung einer politischen Partei. Alles, was es dazu braucht, ist der Beschluss einer Satzung, die in einem periodischen Medium zu veröffentlichen und schließlich beim Innenministerium zu hinterlegen ist. Thats it, denn "mit der Hinterlegung der Satzung erlangt die politische Partei Rechtspersönlichkeit", wie es im Parteiengesetz heißt.

Gelegenheit macht bekanntlich Diebe, und so verwundert es nicht, dass es sich Herr und Frau Österreicher - Vereinsmeier, die sie sind - nicht nehmen haben lassen, Parteien sonder Zahl ins Leben zu rufen. Wiederbetätigen im nationalsozialistischen Sinn sollten sie sich halt nicht. Das ist nämlich verboten. Gegenwärtig sind annähernd 900 Satzungen politischer Parteien im Innenministerium hinterlegt. Wer hätte gedacht, dass die Österreicher solche Radikaldemokraten sind?!

Die verblüffende Einfachheit, mit der eine Partei gegründet werden kann, kontrastiert unangenehm mit den Schwierigkeiten, einer solchen auch politische Relevanz zu verschaffen. Diese sind nämlich praktisch unüberwindbar hoch. Seit 1945 hat es exakt eine einzige neue Partei geschafft, sich zu etablieren: die Grünen. Alle anderen, die zwischenzeitlich den Einzug in den Nationalrat geschafft haben - einst das LIF, heute das BZÖ -, waren Dissidenten, die sich von bestehenden Parteien abgespaltet und ihre Mandate der Einfachheit halber gleich mitgenommen haben.

Oder anders gesagt: Die Riege der Parlamentsparteien ähnelt in Österreich einer geschlossenen Gesellschaft, die sich fast ausschließlich aus sich selbst heraus erneuert. So gesehen verwundert es schon wieder nicht mehr ganz so sehr, dass die Frage der Gründung von neuen Parteien untypisch liberal gehandhabt wird. Die wirklich Mächtigen bleiben ja ohnehin unter sich.

Daher ist es jetzt nur schlüssig, dass nach den hunderten - Verzeihung - sinnlosen Parteigründungen weitgehend machtloser Bürger nun wirklich Mächtige die Sache in die Hand nehmen wollen. Zumindest wird das in geraunten Gerüchten behauptet, die die Industrie mit einer neuen wirtschaftsliberalen Partei in Verbindung bringen wollen.

Aufrechte Linke könnten das nun als Beleg begrüßen, wonach das Parlament doch nicht immerzu vor der Großindustrie buckelt, wie mitunter gerne behauptet wird. Andere könnten sich fragen, ob Veränderung wirklich ausschließlich nur von außen möglich ist. Wenn man denn die Industrie als "außen" bezeichnen will.