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Nur zwei Hürden bleiben noch

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Rumänien hofft weiterhin auf EU-Beitritt 2007. | Justizreform im Kampf gegen die Korruption. | Einheitlicher Steuersatz brachte mehr Einnahmen. | "Wiener Zeitung": Ihr Land hat verheerende Überschwemmungen erlitten. Sind die budgetären Auswirkungen so drastisch, dass sich die Regierung deswegen nicht mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) auf einen neuen Vertrag einigen konnte?


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Mihai-Razvan Ungureanu: Wir haben Probleme mit dem IWF. Es ist schwer, die Anforderungen - etwa zum Haushaltsdefizit - zu erfüllen. Doch insgesamt ist die wirtschaftliche Lage Rumäniens gut. Laut Prognosen wird es wieder hohes Wirtschaftswachstum geben, rund 6 Prozent. Die Inflationsrate wird auf 6 Prozent sinken. Auch das Budgetdefizit sinkt.

Der EU macht aber nicht unbedingt die rumänische Wirtschaft Sorgen. . .

Sie sollte aber darauf achten. Wirtschaft hält alles am Laufen.

Vielmehr mahnt die Kommission die Umsetzung von Reformen in anderen Bereichen ein - etwa im Justizbereich.

Wir haben große Fortschritte gemacht. Die Justizreform ist unumkehrbar, es wurde viel getan: Die Staatsanwaltschaft wurde neu strukturiert, ein Amt für Antikorruption wurde geschaffen. Die Reform umfasst alle Bereiche. Ich gebe Ihnen ein Beispiel für das, was wir geschafft haben: Von elf Bedingungen, an die die Sicherheitsklausel geknüpft ist (die eine Verschiebung des EU-Beitritts um ein Jahr androht), haben wir neun erfüllt. Darunter war die Justizreform, wie der jüngste Fortschrittsbericht der Kommission bestätigt. Zwei Anforderungen sind noch zu erfüllen: Sie betreffen die Implementierung von Umweltschutz-Gesetzen und den Grenzschutz.

Sollte nicht auch die Korruptionsbekämpfung verstärkt werden?

Korruption ist etwas, was sich nur schwer messen lässt. Wir erkennen aber an, dass es ein Problem mit Korruption gibt und gehen mit allen Mitteln dagegen vor. Wir wollen es an der Wurzel bekämpfen. Eine wichtige Maßnahme dabei waren die Justiz- und Polizeireform, um den Menschen wieder Vertrauen in die Institutionen geben zu können.

Korrumpierbarkeit ist unter anderem an niedrige Einkommen geknüpft: Ein Polizist oder Arzt kann mit Schmiergeld dazuverdienen. Wurde daran gedacht, die Einkommen zu heben?

Ja, doch in erster Linie geht es um die Umsetzung der Reformen. Ein Polizist kann bestochen werden, das passiert in jedem europäischen Land. Das Problem in Rumänien vor 1990 war, dass Bestechung das Überleben sicherte. Um Milch für seine Kinder zu bekommen, musste man Schmiergeld zahlen. Dieser Mechanismus wird verschwinden, wenn die Einkommen steigen - und schwindet bereits jetzt. Wir begannen die Reformen mit dem Hintergedanken, dass jede einzelne Maßnahme das System von Korruption und Betrug angreift.

Ist die Einführung eines einheitlichen Steuersatzes auch in diesem Zusammenhang zu sehen?

Als wir den Steuersatz auf rund 16 Prozent senkten, war in den ersten drei Monaten unklar, ob sich die Steuereinnahmen nicht verringern würden. Doch es trat das Gegenteil ein: Ins Budget flossen 55 Prozent mehr als zuvor. Das bedeutete, dass mehr Menschen Steuern zahlten. 180.000 Arbeitsplätze verlagerten sich von der Schattenin die reguläre Wirtschaft.

Das heißt, Sie mussten Steuern senken, um die Menschen dazu zu bringen, überhaupt zu zahlen?

Sagen wir so: Der durchschnittliche Bürger hat gezahlt, aber der Besitzer eines mittleren Unternehmens hat es unter Umständen verhindern können. Daher haben wir einerseits die Steuern gesenkt, andererseits die Kontrollen und das Strafausmaß erhöht. So haben wir beispielsweise die Konten hunderter rumänischer Unternehmen gesperrt.

Mehr Geld wünscht sich auch die EU-Kommission. Kann der Streit um den Finanzrahmen für die Jahre 2007 bis 2013 zu einem Problem für die Beitrittswerber Rumänien und Bulgarien werden?

Es ist ein Problem für uns alle. Doch über die Zahlungen für Rumänien und Bulgarien wird nicht diskutiert, sie sind im Beitrittsvertrag festgelegt.

Sind Sie weiterhin optimistisch, dass Rumänien alle Anforderungen der EU rechtzeitig erfüllen kann?

Absolut. Wir haben neun Bedingungen in neun Monaten erfüllt. Nun haben wir 14 Monate Zeit, die verbleibenden zwei zu erfüllen. Es wird einen weiteren Fortschrittsbericht im April geben.

Da wollen die EU-Staaten auch entscheiden, ob der Beitritt Rumäniens um ein Jahr verschoben wird. Wann wird Ihr Land Mitglied der EU - 2007 oder 2008?

Ich hoffe aufrichtig, dass es 2007 ist. Ich habe gute Gründe zu dieser Annahme: Ich sehe, wie viel wir schon geschafft haben.

Was passiert, wenn sich der Beitritt doch verzögert?

Nichts. Die Sonne wird weiterhin jeden Tag aufgehen. Wir werden allerdings irgendwie mit unserer Enttäuschung umgehen müssen. Wir versuchen jedoch, den Erweiterungsskeptikern keine Argumente zu liefern. Und wenn Rumänien alle Anforderungen erfüllt hat, gibt es keinen Grund für eine Verschiebung.

Hat die Regierung tatsächlich keinen Plan B, falls der Beitritt auf 2008 verschoben wird?

Wir haben alle unsere Energie darauf ausgerichtet, 2007 der Union beizutreten. Wir sind diesem Ziel sehr nahe.