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Nützliche Idioten

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Im Krieg der Informationen sind freie Gesellschaften besonders gefährdet.


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Dieser Krieg, jeder Krieg, wird nicht an der militärischen Front allein entschieden. Europa und die USA setzen seit jeher auf die Wucht ihrer wirtschaftlichen Potenz. Doch am schwersten zu fassen ist eine dritte Front: der Krieg der Informationen und Erzählungen, die Schlacht um die Herzen und Köpfe der Menschen.

Dieses Schlachtfeld ist, wie fast alles im Zusammenhang mit Krieg, keine neue Erfindung. Das Besondere an Propaganda ist, dass sie weder informieren noch argumentieren will, sondern überreden und überwältigen. Und der Weg zu diesem Ziel beginnt mit dem Säen von Zweifeln, der Infragestellung etablierter Ansichten und, wenn nichts anderes mehr nützt, nackten Lügen.

Freie Gesellschaften sind in diesem Krieg um die Köpfe und Herzen der Menschen besonders gefährdet. Die perfide Effizienz liegt darin, dass Propaganda hier versucht, die Methoden der freien Gesellschaft gegen diese selbst zu wenden. Deren Stärke (und größte Schwäche in gefährlichen Zeiten) beruht darin, dass Zweifel und die Infragestellung der Verhältnisse als unerlässlich für ihr Funktionieren als offene Gesellschaft betrachtet werden. Die anti-freiheitliche Propaganda, im Frieden wie im Krieg, macht sich dieses Einfallstor zunutze.

Russland hat, wie jedes autoritäre Regime, ein existenzielles Interesse an der Kontrolle aller Kommunikation. Diese ist entscheidend für den Machterhalt. Nach innen wird Widerspruch geahndet und verfolgt, nach außen ist das Ziel Schwächung durch Destabilisierung und Verunsicherung.

Auch in Demokratien wird mit harten Bandagen um die Lufthoheit über den Stammtischen gerungen, und keineswegs nur mit zulässigen, wenngleich ungleich subtileren Methoden. Die Regierung, die kein machtpolitisches Interesse an den Medien hat, ist noch nicht gewählt. Auch an Möglichkeiten besteht kein Mangel; diese reichen von der Gestaltung des Medienstandorts über vielfältige Wege der Medienförderung bis hin zum Privileg besonderer Nähe zur Macht.

Doch allein schon mit diesem Vergleich begibt man sich auf das Spielfeld der Gegenseite. Die Kritik an den bestehenden Verhältnissen in einer freien Gesellschaft bedeutet eben nicht, einen kategorischen zum bloß graduellen Unterschied kleinzuschreiben. Verfassungen und Justiz, zur Not bis auf die supranationale Ebene hinauf, garantieren die Freiheit von Meinungen und Medien, von jedem Menschen im Allgemeinen und von Journalisten im Speziellen. Wer diesen prinzipiellen Unterschied zwischen freien und unfreien Gesellschaften nicht erkennen will oder kann, macht sich - bewusst oder unbewusst - zum nützlichen Idioten der Feinde seiner eigenen Freiheit.