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Nützlicher Angstschweiß

Von Walter Hämmerle

Leitartikel

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Es gibt ein paar Dinge, die kann sich ein gelernter Österreicher nicht einmal in seinen kühnsten Träumen vorstellen. Dazu zählen, unter anderem, ein Schwarzer, der im Wiener Rathaus residiert, und ein Roter, der im Landhaus zu
St. Pölten das Zepter schwingt.

Ungeachtet der Pendelschwünge im Burgenland, in Kärnten und in Salzburg wäre bis vor Kurzem auch jeder, der die Abwahl der ÖVP in Tirol für möglich erachtet, umstandslos ins Irrenhaus eingewiesen worden. Zwei Tage vor den Landtagswahlen ist genau dies nun eine Option; keine sehr wahrscheinliche, aber doch eine mögliche.

Allein dass über einen Machtwechsel diskutiert wird, ist ein Fortschritt - vielleicht nicht für die ÖVP, aber für die politische Hygiene in dieser Republik. Und das gilt genauso für einen Machtwechsel in den anderen streng einfärbig regierten Ländern (Koalitionen haben sich hier nicht wirklich als Rezept für Machtkontrolle erwiesen).

Der Grund liegt auf der Hand: Wer mit der Möglichkeit - noch besser: mit der Wahrscheinlichkeit - einer Abwahl rechnen muss, wird penibel darauf achten, keine Leichen in Form von Machtmissbrauch, Korruption und sonstigen Affären zu hinterlassen. Zumindest wesentlich penibler als jetzt, wenn diese Gefahr aufgrund der realen Machtverhältnisse praktisch ausgeschlossen werden kann. Einzig die wohlbegründete Angst vor einem Auffliegen der eigenen Missetaten ist der mit großem Abstand wirksamste Mechanismus gegen Misswirtschaft und Machtmissbrauch in der Politik.

Wer das nicht fürchten muss, ist ungleich anfälliger für die sich unweigerlich bietenden Versuchungen eines üppig ausgestatteten Herrschaftsapparats.

Doch was eigentlich als banale Selbstverständlichkeit, als biederer demokratischer Alltag gelten sollte, nämlich die Normalität eines Machtwechsels durch Wahlen, wird hierzulande als Tabubruch verfemt - und das keineswegs nur in den Köpfen der betroffenen Parteien und Politiker. Das ist nicht weiter verwunderlich, schließlich haben sich die Parteien aufs Innigste mit "ihren" Ländern verflochten; und zwar nicht selten bis ins allerletzte Glied, das für politische Einflussnahme zugänglich ist.

In Tirol wird auch nach dieser Wahl weiterhin die ÖVP das Sagen haben. Aber dass ein "wahrscheinlich" angefügt werden muss, ist ein Schritt in die richtige Richtung.