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Arbeitsmedizinerin betont die Notwendigkeit von Erholungsphasen.
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Wien. Besinnlichkeit, Ruhe und Rückzug: Alle Jahre wieder bietet Weihnachten die Gelegenheit, dem Alltag zu entfliehen, sich Zeit für Familie und Freunde zu nehmen und dem süßen Nichtstun zu frönen. Das zumindest ist das Bild, das von Weihnachten vermittelt wird. Mit der wirtschaftlichen Realität hat das freilich nur bedingt zu tun. Denn wie Studien belegen, hält der Arbeitsalltag Einzug in die Weihnachtszeit.
Für 54 Prozent aller Berufstätigen sind die Feiertage einer Umfrage des Bürodienstleisters Regus zufolge Arbeitstage: Unter anderem sorge der Wettbewerbsdruck dafür, dass Beschäftigte unvollendete Aufgaben in der Weihnachtszeit mit nach Hause nehmen oder gar Büros aufsuchen. "Eigentlich sind diese Feiertage eine besondere Zeit im Jahr, in der man Zeit mit Familie und Freunden verbringen kann, ohne berufliche Pflichten erfüllen zu müssen", kommentiert Regus-Manager Garry Gürtler in einer Aussendung das Ergebnis der Erhebung. "Allerdings ergab unsere Umfrage, dass viele Berufstätige diese Zeit nicht voll ausschöpfen können", so Gürtler.
Das auch in der Weihnachtszeit unter Beweis gestellte Bekenntnis zur Arbeit könnte für den Arbeitgeber grundsätzlich zwar erfreulich sein, zieht häufig aber Konsequenzen nach sich. "Es wäre wichtig, dass man die Feiertage nutzt, um einen Ausgleich zu finden", sagt Jasminka Godnic-Cvar, Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Die freien Tage sind so wichtig, weil man in dieser Zeit eigenen Bedürfnissen wie Sport oder anderen Hobbys nachgehen kann. Das gibt die Möglichkeit, kreativ zu sein", so Godnic-Cvar.
Bleibt die Gelegenheit zur weihnachtlichen Erholung hingegen ungenützt, könnte das gravierende Folgen nach sich ziehen: "Es kommt zu einer Überforderung im psychischen und physischen Bereich", betont Godnic-Cvar, Krankheiten und soziale Einbußen wären häufig die Folge.
Erreichbarkeit in der Freizeit wird akzeptiert
Neben der tatsächlichen Arbeitsleistung an den Feiertagen hat sich in den vergangenen Jahren in der Arbeitswelt zudem ein weiterer Trend abgezeichnet, der Beschäftigte davon abhalten kann, nach Dienstschluss abschalten zu können - selbst in der Weihnachtszeit. Laut einer Studie des deutschen Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) ist die überwiegende Mehrheit der Deutschen zwischen Weihnachten und Neujahr auch dann beruflich erreichbar, wenn man eigentlich im Urlaub ist. 71 Prozent aller Berufstätigen antworten zufolge der Erhebung auf dienstliche Anrufe oder E-Mails. Gerade ältere Dienstnehmer und Frauen weisen eine hohe telefonische oder elektronische Erreichbarkeit auf. Bitko-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder bezeichnete diese Bereitschaft, auch im Urlaub arbeiten zu wollen, zwar als "prinzipiell gutes Zeichen", betont aber: "Zumindest zum Jahresende sollte jeder auch einmal komplett abschalten."
Ähnlich sieht das auch Godnic-Cvar. "Die ständige Erreichbarkeit ist ein Teil der neuen Arbeitswelt", so die Arbeitsmedizinerin, "Man muss aber Modelle entwickeln, wie man das ausgleichen kann." Andernfalls drohen wiederum Nachteile im Privatleben, die sich auf Dauer auf Psyche und Körper niederschlagen würden, warnt Godnic-Cvar. "Die Zeit, in der man dauernd erreichbar ist, ist für den Arbeitnehmer eigentlich keine freie Zeit, da man nicht vollständig über sie verfügen und dadurch entspannen kann", so die Arbeitsmedizinerin.
Mitarbeiter bekunden freiwillig ihr Interesse
Dass sich viele Mitarbeiter dennoch für die Erreichbarkeit auch nach Dienstschluss entscheiden, zeigt indes auch das Beispiel der Telekom Austria, wo nach Angaben von Pressesprecherin Livia Dandrea-Böhm eine Vielzahl von Kanälen für die interne Kommunikation zur Verfügung stünden. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Mitarbeiter auch in der Freizeit unwillkürlich nachschauen, ob Mails gekommen sind", bestätigt die Pressesprecherin gegenüber der "Wiener Zeitung", betont aber zugleich das Prinzip der Freiwilligkeit: "Mails müssen in der Freizeit nicht bearbeitet werden, die Mitarbeiter schauen nach, weil es sie interessiert. Es wird nicht erwartet, dass die Mitarbeiter auch am Wochenende verfügbar sind. Wenn es jemand trotzdem macht, ist das eine freiwillige Entscheidung."
Dass es in Einzelfällen sowie bei Schlüsselkräften dennoch Teil des Jobs ist, außerhalb der Dienstzeit verfügbar zu sein, räumt Dandrea-Böhm ein. Die hohe Akzeptanz der Informations- und Kommunikationsangebote zeige aber, dass das Interesse und die Bereitschaft zur Nutzung dieser modernen Medien gegeben sei.
Sind die Arbeitnehmer demnach aufgrund der Bereitschaft, auf Freizeit zu verzichten, selbst für körperliche oder psychische Konsequenzen, die sich daraus ergeben könnten, verantwortlich? Godnic-Cvar widerspricht: Um ein Bewusstsein für die notwendige Freizeit zu Weihnachten, im Urlaub und nach Dienstschluss zu schaffen, wären Arbeitgeber, Gewerkschaften, die Politik, aber auch die Wissenschaft gefragt.
Zumindest die erstgenannte Gruppe scheint die Vorzüge einer ungestörten Freizeit vereinzelt bereits erkannt zu haben: So hat der Autobauer Volkswagen beschlossen, künftig nach Feierabend keine E-Mails mehr an Beschäftigte zuzustellen. Der E-Mail-Stopp würde "einen fairen Ausgleich darstellen zwischen den Arbeitnehmerinteressen und denen des Unternehmens", wie ein Sprecher betont. Dass diese Regelung den Arbeitnehmern auch an den Feiertagen zugute kommt, ist anzunehmen. Verkündet wurde die Regelung nämlich erst kürzlich und trat bereits in Kraft - rechtzeitig vor den Weihnachtsfeiertagen.