Zum Hauptinhalt springen

Oasen in Tiefseewüsten

Von Roland Knauer

Wissen

Vulkane unter Wasser ernähren bunte Lebensvielfalt. | Neue Erkenntnisse über Lebensräume am Meeresboden. | Berlin. "Oasen des Lebens" nennen Biologen die schwarzen Raucher am Grunde der Tiefsee: Aus diesen Vulkanen weit unter dem Meeresspiegel brodelt eine Mischung aus chemischen Verbindungen und Spurenelementen wie Eisen, Kupfer, Zink, Methan und Schwefel, von der sich eine bunte Lebensvielfalt ernährt, während der Grund der Ozeane sonst eher einer Wüste gleicht.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Strömungen müssen die Elemente und Organismen auch in größere Entfernungen verteilen, das ist Tiefseeforschern seit einiger Zeit klar. Offensichtlich beeinflusst aber auch die Witterung über Wasser diese Verbreitung in der Tiefe, stellen Diane Adams von der Woods Hole Oceanographic Institution im US-Bundesstaat Massachusetts und ihre Kollegen jetzt überrascht im Fachblatt "Science" (Band 332, Seite 580) fest.

Damit aber erklären sie auch, wie sich das Leben und seine Grundlagen überhaupt in der Tiefsee verteilen. Schwarze Raucher wirbeln schließlich nicht ewig die Grundlagen für die Lebensgemeinschaft in der Tiefe ins Wasser. Meist verstopfen nach wenigen Jahrzehnten die Kanäle, aus dem die Chemikalien-Mixtur aus dem Erdinneren nach oben schießt, und die Oase stirbt. Zwar hat sich vermutlich längst vorher ein anderer Vulkanschlot geöffnet, der aber unter Umständen viele Kilometer entfernt sein kann. Für die Organismen der Tiefsee scheinen große Entfernungen kein Problem zu sein. 2010 hatten die Forscher um Diane Adams an neu entstandenen Tiefseequellen zum Beispiel Seeschnecken gefunden. Als Larven oder auch als erwachsene Schnecken mussten diese Organismen dorthin gekommen sein. Aber wie? Immerhin war der nächste Unterwasservulkan mehr als 300 Kilometer entfernt.

Martin Visbeck vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-Geomar) kennt zwar durchaus riesige Wasserwirbel im Meer, die ein paar hundert Kilometer Durchmesser haben und die auch in tiefen Wasserschichten die Strömungen beeinflussen. Ob sie aber auch das Sediment aufwirbeln und Organismen weitertragen, die am Meeresgrund leben, hatte bisher noch niemand genauer angeschaut.

Das haben die US-Forscher um Diane Adams jetzt gemacht, als sie in der Nähe Schwarzer Raucher weit vor der Pazifikküste Costa Ricas in Zentralamerika in 2500 Metern Wassertiefe Sedimentfallen installierten. In diesen Geräten fangen die Forscher Meeresorganismen und chemische Verbindungen, die aus den Unterwasservulkanen und ihrer unmittelbaren Umgebung stammen.

Wirbel und Strömungen

Zunächst fanden die Wissenschafter reichlich angeschwemmtes Material in ihren Fallen, nach einigen Monaten aber kam plötzlich fast nichts mehr an. Gleichzeitig hatte sich auch die Strömung im Wasser 170 Meter über dem Meeresboden erheblich verstärkt. Da der Schwarze Raucher in dieser Zeit aber immer ungefähr die gleichen Mengen Material ausstieß, musste die stärkere Strömung die Verbindungen und Organismen weggetragen haben.

Der Ursache der stärkeren Strömung in der Tiefe kamen die Forscher auf die Spur, als sie Satellitendaten von der Meeresoberfläche mit ihren Ergebnissen verglichen. Im Golf von Tehuantepec hatte die Witterung vor der Küste ganz im Süden Mexikos einen Wasserwirbel erzeugt, der 375 Kilometer Durchmesser hatte. Solche Wirbel halten sich monatelang in den Weltmeeren und ziehen dabei langsam weiter. Als der Wirbel aber den Schwarzen Raucher und die Sedimentfallen passierte, verstärkte sich die Strömung in der Tiefe und trug Organismen und Spurenelemente mit sich. Und da sich solche Wirbel immer wieder bilden, können sie einer der gesuchten Verteiler von Spurenelementen und Organismen in der Tiefsee sein, die das Leben zur nächsten Oase weitertragen.