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Ob der Enns und überall

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft

Ergebnis über den Prognosen. | Scharinger will Spekulantentum Kampf ansagen. | Gewaltiges Portfolio an Industriebeteiligungen; 29 Firmen müssen durch Krise "getragen" werden. | Geinberg. Das Bundesland ist längst zu klein. Die Raiffeisenlandesbank (RLB) Oberösterreich stößt an die Grenzen dessen, was aus dem regionalen Heimatmarkt zu holen ist - mit Marktanteilen von 60 Prozent bei Privatkunden, 80 Prozent in der Industrie und knapp 90 Prozent bei Bauern (Eigenangaben). Kein Wunder, dass Generaldirektor Ludwig Scharinger, im Scherz gerne "König Ludwig" genannt, im 26. und vorletzten Jahr seiner Regentschaft abermals einen breiten Bogen spannt.


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Mit 30 Milliarden Euro Bilanzsumme (nach UGB) ist die RLB OÖ. längst die größte Regionalbank im Raiffeisensektor, vor der RLB Niederösterreich-Wien. Dort hat in der Vergangenheit mehrfach für Missfallen gesorgt, dass ihr Expansionsdrang nicht oberhalb der Enns endet, etwa mit der 100-Prozent-Tochter Privat Bank AG, die ausgerechnet in Wien nach vermögenden Kunden fischt.

Aktiv in Niederösterreich und Wien

Scharinger bereitet das Wildern in anderen Revieren sichtlich Freude. Die Oberösterreicher sind mit der Vamed an der Therme Geinberg beteiligt, die demnächst für gut 21 Millionen Euro um Seevillen und ein Hamam-Bad erweitert wird. Aber auch in Laa an der Thaya wird das Vamed-Wellness-Ressort mitfinanziert. "Mitten in Niederösterreich", wie der 68-Jährige schelmisch hinzufügt. Mitten im Feindesland, will ein Journalist wissen? Aber nein, relativiert der Generaldirektor - man kooperiere doch stark im IT-Bereich.

Feine Spitzen gegenüber Wien bleiben nie aus, wenn Scharinger seine Bilanzen präsentiert. Mit der Fusion von Raiffeisenzentralbank (RZB) und Raiffeisen International sei er mehr als zufrieden, sagt Scharinger zur "Wiener Zeitung". Er sei dabei eine treibende Kraft gewesen. Die erwarteten Einsparungseffekte von 120 Millionen pro Jahr würden bereits übertroffen, 130 bis 140 Millionen seien möglich. "Herbert Stepic ist ein ordentlicher Bulle, der bringt was vorwärts. Und sein Harmoniebedürfnis hält sich in Grenzen." Da dürfen sich andere im Raiffeisen-Reich angesprochen fühlen.

Osteuropa-Konkurrenz für die RBI

Den Schritt über die Grenzen hat die RLB OÖ in mehrere Richtungen gemacht: Sie ist in Bayern und Baden-Württemberg tätig und finanziert dort zahlreiche Projekte gemeinsam mit der öffentlichen Hand.

Auch in Österreich werden die Grenzen zwischen Privatwirtschaft und öffentlicher Sektor durchlässiger: Mehr denn je finanziere die RLB OÖ über Private-Public-Partnership-Modelle (PPP). Der "heimliche Landeshauptmann" Scharinger zürnt Gemeinden und Land keineswegs, wenn sie sich mit Investitionen zurückhalten: "Dann reden weniger Beamte drein. Machen wir es halt selber." Ende 2010 waren 441 PPP-Projekte mit 2,74 Milliarden Euro Gesamtinvestitionen geplant und umgesetzt.

Die Erholung der heimischen Exporte bereitet in Linz besondere Freude, schließlich würden fast 20.000 Unternehmen nach Osteuropa "begleitet" - 742 nach China, 284 nach Indien und 405 nach Russland. Vergangene Woche wurde sogar eine Beteiligung über knapp 3 Prozent an der Krayinvestbank, der größten Regionalbank in der Olympiaregion rund um Sotchi, fixiert - auf Wunsch der Regierung der Region Krasnodar, heißt es. Auch in Tschechien sind die Oberösterreicher aktiv und machen den Osteuropa-Spezialisten der Raiffeisenbank International (RBI) Konkurrenz - an der sie indirekt ohnehin beteiligt sind. Damit nicht genug: Die RLB OÖ hält noch weitere Bankenbeteiligungen, darunter an der Oberösterreichischen und Salzburger Hypo.

Rund 500 Beteiligungen

Die Linzer finanzieren aber nicht nur einen Großteil der industriellen Investitionen des Bundeslandes, sie halten selbst ein gewaltiges Portfolio an Beteiligungen, in Summe rund 500: Allen voran stehen Leitbetriebe wie die Voestalpine, wo die RLB OÖ mit mehr als 15 Prozent größter Eigentümer ist, oder Landesenergieversorger Energie AG. Weitere namhafte Beteiligungen sind die Salinen, Fleisch- und Nahrungsgigant Vivatis oder Efko Delikatessen. Und natürlich sind die Oberösterreicher im Mediengeschäft vertreten, etwa mit Anteilen an der Moser Holding ("Tiroler Tageszeitung").

Wenn Scharinger über Infrastrukturprojekte räsoniert und vom Linzer Westring über die russische Breitspurbahn bis zum Bahnkorridor Stettin-Koper ausholt, so verbindet er damit konkrete Industrie-Interessen. Die intensive Vernetzung bleibt nicht ohne Risiken: Derzeit würden von der Bank 29 Unternehmen durch eine schwierige Phase "durchgetragen". Scharinger stellt das nicht als Risiko für die Bank dar, sondern quasi als Ehrensache - eine Bankverbindung wie ein Ehevertrag, in guten wie in schlechten Tagen. Schließlich würden so die Arbeitsplätze von 7400 Beschäftigten abgesichert.

Die klingenden Namen der RLB-Beteiligungsvehikel kommen nicht von ungefähr: "Privatstiftung für die Standorterhaltung in Oberösterreich" oder "Gesellschaft zur Förderung agrarischer Interessen in Oberösterreich".

"Haben uns nicht verführen lassen"

"Wir haben uns nicht verführen lassen und sind bei unseren Kunden geblieben", lautet Scharingers Credo. Verführer und Blender, das sind die Hedgefonds und Investmentbanken, Börsenhaie, Carrytrader und Bonus-Abkassierer. In der Linzer Darstellung klingt das erfolgreiche Bankgeschäft fast simpel: eine möglichst geringe Zinsspanne ("Wettbewerbsfähigkeit"), geringe Kosten in Relation zum Ertrag ("Risikotragfähigkeit") und ein Stock an stillen Reserven ("Fettranderl" für schlechte Zeiten). Alle Erfolge werden in Präsentationen konsequenterweise seit der fiktiven Stunde Null - Scharingers Amtsantritt im Jahr 1985 - dargestellt. Dass die internationalen Bilanzierungsregeln und Ratingagenturen dieses vermeintlich konservative Geschäftsmodell nicht verstehen wollen, ärgert Scharinger maßlos.

Spekulation über Nachfolger

Wenn er allerdings die Börse-Spekulanten geißelt, so entbehrt das nicht der Pikanterie: Im März 2012 soll sich der Generationenwechsel an der Spitze der Bank vollziehen. Zwar gibt es im Vorstand mit Michaela Keplinger-Mitterlehner und Georg Starzer zwei kompetente potenzielle Nachfolger. In Oberösterreich wird jedoch ausgerechnet der Vorstand der Wiener Börse als favorisierter Anwärter gehandelt. An Heinrich Schaller führe gewissermaßen aus Gründen einer inoffiziellen Erbfolge kaum ein Weg vorbei, wird gemunkelt: Sein Vater Karl Schaller ist die andere Legende im oberösterreichischen Raiffeisenland; er führte die Bank von 1949 bis zu einem tragischen Autounfall 1973 und machte aus der genossenschaftlichen Bauernbank eine vollwertige Geschäftsbank. Natürlich hat auch Heinrich Schaller bereits ein Raiffeisen-Vorleben - er war schon in Oberösterreich im Vorstand, aber auch bei der Raiffeisen Zentralbank tätig.

Wer immer der Nachfolger oder die Nachfolgerin sein wird, es warten große Herausforderungen. Nicht nur der mächtige Schatten des Vorgängers, sondern auch internationale Regulierungsregeln, die wenig Rücksicht auf genossenschaftlich gewachsene Bankstrukturen nehmen. Im geplanten strengeren Eigenkapitalregime von "Basel III" wird bisher auf die dreistufige Raiffeisenstruktur keine Rücksicht genommen. Sollten die Anteile regionaler Genossenschaftsbanken und Sparkassen an ihren Zentralinstituten künftig nicht mehr als Eigenkapital anrechenbar sein, hätten diese Sektoren ein Problem. Scharinger vertraut auf das Europäische Parlament, welches die EU-Kommission aufgefordert hat, diese Besonderheiten zu berücksichtigen: "Ich bin nicht in Sorge, aber man muss auf der Hut bleiben."

Die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich in Zahlen:

Jahresergebnis 2010 (UGB)

Bilanzsumme:30,0 Milliarden Euro (+2,3 Prozent)Kundeneinlagen:6,5 Milliarden Euro (+7,6 Prozent)Finanzierungsvolumen:15,8 Milliarden Euro (+5,7 Prozent)Davon:- Investitionen9,0 Milliarden Euro (+10,0 Prozent)- Betriebsmittel6,8 Milliarden Euro (+0,5 Prozent)Betriebsergebnis:386,5 Millionen Euro (+66,1 Prozent),darin:120 Mio. Euro aus thesaurierten ErgebnissenEigenmittel: 3,7 Milliarden Euro (+19,6 Prozent)Eigenmittelquote:17,3 Prozent (+1,9 Prozentpunkte)Kernkapital:2,3 Milliarden Euro (+21,4 Prozent)Kernkapitalquote:10,3 Prozent (+1,4 Prozentpunkte)Cost/Income-Ratio:40,2 Prozent gerechnet auf das operative Ergebnis (-3,1 Prozentpunkte)Zinsspanne:0,67 Prozent (+0,01 Prozentpunkte)

+++ Unternehmenszahlen:

3200 Mitarbeiter (800 in der Bank, 2400 bei 100-Prozent-Töchtern, ohne Beteiligungen)

451 Bankstellen in Oberösterreich, 8500 Unternehmenskunden und 4200 gehobene Privatkunden in Bayern und Baden-Württemberg

347.000 Privatkunden und 80.000 Firmenkunden in Tschechien (RLB OÖ mit 25 Prozent an Raiffeisenbank a.s. beteiligt)