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Obama-Bashing gehört in Washington zum guten Ton

Von David Ignatius

Gastkommentare

Auch wenn die Fakten für den eingeschlagenen Kurs sprechen - in Politkreisen wird der US-Präsident stets als Versager verunglimpft.


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Wie kommt es, dass weniger als ein Jahr nach Barack Obamas überzeugender Wiederwahl jeder seiner Schritte als Präsident Hohn und Buhrufe von fast allen Teilen des politischen Spektrums auf sich zieht? Vielleicht ist seine Syrien-Politik wirklich eine Geschichte "epischer Inkompetenz", wie Charles Krauthammer vorige Woche meinte. Kann sein, er führt eine "unglaublich kleine" Präsidentschaft, wie Marc Thiessen kommentierte. Kann sein, dass ihn niemand fürchtet, wie Ruth Marcus behauptet. Und das sind nur ein paar Meinungen meiner Kollegen von der "Washington Post". Verwirrend an dieser Abneigung gegen Obama ist, dass die jüngsten Entwicklungen in Syrien vom US-Standpunkt aus ganz positiv sind. Obama hat Ziele erreicht, die die meisten Amerikaner gutheißen. Umfragen zeigen, dass die US-Bürger Obamas Kurs mit überwältigender Mehrheit unterstützen. Dennoch ist die Meinung der Elite deutlich negativ.

Fazit ist: Russland konnte für den Prozess des Einziehens und Zerstörens des syrischen Chemiewaffenarsenals gewonnen werden. Das war seit zwei Jahren Ziel der USA. Und die UNO hat neue Schritte unternommen, die internationale Norm gegen den Einsatz von chemischen Waffen zu bekräftigen.

Weiters haben die USA und Russland ihr Drängen auf Verhandlungen in Genf über einen Waffenstillstand und einen politischen Übergang in Syrien erneuert. Ja, es ist ungünstig, dass Assad noch an der Macht ist. Aber ist seine Position wirklich stärker, nachdem er gezwungen wurde zuzugeben, dass er chemische Waffen hat, und zuzustimmen, sie zu zerstören? Die USA und Russland sind übereingekommen, Ende September in New York mit dem UN-Repräsentanten Lakhdar Brahimi zusammenzutreffen, um den politischen Prozess fortzusetzen. Die Russen wissen, dass Assad letztlich gehen muss. Vorschlag: Assads offizielle Amtszeit endet nächstes Jahr.

Und mitten in all der Diplomatie drängte Obama vorwärts mit einem verdeckten Ausbildungs- und Unterstützungsprogramm für die gemäßigten syrischen Rebellen unter General Salim Idriss. Meine syrischen Quellen sagen, dass die Teilnahme am Kampf dieser von der CIA ausgebildeten Kommandos die Lage verändert: Sie beginnen, das Gewicht von den Dschihadistenkämpfern zu nehmen, die mit der Al-Kaida in Verbindung stehen und die, wie die Russen zu Recht warnen, ein gefährlich mächtiger Faktor in der Opposition sind.

Rätselhaft ist, warum diese Entwicklung in Syrien von so vielen Analysten in Washington verhöhnt wird. Zum Teil muss das am John-McCain-Faktor liegen. Der Senator aus Arizona ist in Gefahr, eine Art republikanischer Jesse Jackson zu werden, der bei jeder internationalen Krise mit einem Lösungsvorschlag auftaucht. McCain ist eine bemerkenswerte, Achtung gebietende Persönlichkeit, auch wenn seinen Vorschlägen zu Hause die politische Unterstützung fehlt. Nicht so Obama. Auch wenn er vorantreibt, was das Land will und sogar Erfolg damit hat, wird er immer noch als Versager niedergemetzelt.

Übersetzung: Redaktion