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Der US-Präsident braucht weniger den Wirtschafts- Gigantismus von Franklin D. und mehr den Kartell-Zerschlagungs- Eifer von Theodore Roosevelt. AIG ist das beste Beispiel.
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Viel wird darüber geredet, ob Barack Obama ein zweiter Roosevelt ist: Bleibt nur die Frage, ob wir hier vom richtigen Roosevelt sprechen. Denn um mit der Finanzkrise fertig zu werden, würde Obama weniger Franklin Delano Roosevelts Neigung zu Wirtschafts-Gigantismus brauchen als Theodore Roosevelts Kartell-Zerschlagungs-Eifer.
Die 30 Milliarden US-Dollar Zusatzhilfe für den Versicherungskoloss AIG sind ein typisches Beispiel: Den insolventen Riesen mit aller Gewalt am Leben zu erhalten, hat keinen Sinn. Man hätte das Unternehmen schon im Vorjahr, beim ersten Einbruch der Krise, verkleinern müssen, als man die gesunden Teile noch für anständige Preise verkaufen hätte können. Aber erst jetzt sagt das US-Finanzministerium, dass AIG schrumpfen soll. Besser spät als nie.
Sogar AIG selbst räumt heute ein, dass das Unternehmen zu groß ist. Die Tragödie ist nur, dass das schon seit Jahren bekannt ist, aber niemand etwas dagegen getan hat. Die US-Notenbank und das Finanzministerium sind ihrer Annahme treu geblieben, dass in Finanzangelegenheiten größer unbedingt besser ist - und sicherer.
Man geht von der Vorstellung aus, dass sich die Risiken so am besten aufteilen lassen und damit die Stabilität erhöht wird. Dieses Denken hat uns die Monstrosität namens Citigroup beschert. Und obwohl mittlerweile klar ist, dass das nicht wirklich gut funktioniert, wird an der Maxime "mehr Größe mehr Stabilität" festgehalten.
Eine gute Fallstudie für die Verantwortlichen heute ist Präsident Theodore Roosevelts Antwort auf den geplanten Finanzstreich im Jahr 1902: Die Eisenbahnmagnaten planten, die "Great Northern" und die "Northern Pacific" zu einem neuen Riesenunternehmen zusammenzuschließen, zur "Northern Securities Co."
Roosevelt wollte das durch eine Kartellklage verhindern. Das würde eine Panik an der Wall Street auslösen, drohten daraufhin die Investoren. "Im Justizministerium haben wir kein Kursbarometer", antwortete der damalige Justizminister Philander Knox.
Als Roosevelt die Drohungen weiter ignorierte und die Kartellklage vorantrieb, bekam er Besuch vom regierenden Finanztitanen Pierpont Morgan. "Wenn wir etwas falsch gemacht haben, so senden Sie doch Ihren Mann für solche Fälle zu meinem Mann für solche Fälle und die regeln das", bot Morgan dem Präsidenten an. Ohne mit der Wimper zu zucken, antwortete dieser: "Nichts zu machen."
Traurig, aber wahr: Seit Beginn der Krise haben sich Finanzministerium und Notenbank in hektisch ausgehandelten Wochenend-Deals darin übertroffen, "Ihren Mann für solche Fälle zu meinem Mann für solche Fälle" zu schicken. Alle Verantwortlichen hätten aber besser untersuchen sollten, ob man die vom Scheitern bedrohten Riesen nicht in kleinere Teile zerlegen könnte, die eher einen Weg zurück in die Zahlungsfähigkeit finden.
Der Historiker Walter Lord schreibt in seinem schon 1960 erschienen Buch "The Good Years" über Morgan und die andere Plutokraten: "Diese Männer waren nicht von Natur aus roh. Sie hatten keine böse Absicht. Aber sie haben die Bodenhaftung verloren. Die ungeheure Größe ihrer Geschäfte, die Komplexität ihrer Unternehmensstrukturen entfremdete sie von ihren Mitmenschen." Das ist eigentlich auch eine perfekte Beschreibung der Verantwortlichen bei Citigroup, AIG und den anderen Kolossen, denen wir die Finanzkrise zu verdanken haben.
Finanz-Gigantismus ist nicht, was wir jetzt brauchen. Franklin sollten wir eine Weile ruhen lassen und lieber über Teddys progressive Philosophie nachdenken: Wenn es um Finanzen geht, ist nämlich klein ganz groß.
Übersetzung: Redaktion