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Obama ist auf Clinton angewiesen

Von Michael Schmölzer

Analysen

Hillary Clinton hat das Rennen um die US-Präsidentschaftskandidatur verloren - ihre Niederlage eingestehen will sie (noch) nicht. Experten rätseln, warum sie zögert: Manche sind der Ansicht, dass die Frau, die als haushohe Favoritin ins Rennen gegangen ist, die zuletzt zwar absehbare aber doch demütigende Niederlage erst verdauen muss. Andere sagen, sie warte darauf, dass Barack Obama ihr offiziell die Funktion des Running mate anbietet - um dann anzunehmen. Der Umstand, dass sich Clinton zuletzt ihrem Konkurrenten gegenüber versöhnlicher gezeigt hat, wird als Indiz gewertet, dass sie die Funktion der Vizepräsidentin doch anstrebt.


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Eines ist jedenfalls sicher, auch wenn Barack Obama die Herzen der demokratischen Wähler im Sturm erobert hat: Will er im November als erster schwarzer Präsident ins Weiße Haus einziehen, dann braucht er die Unterstützung von Hillary Clinton. Vor allem bei den Frauen und unter der weißen Arbeiterklasse hat sie die Unterstützung, die Obama benötigt. Er muss also versuchen, seine Konkurrentin irgendwie ins Boot zu holen.

Wenn die Versöhnung Obama-Clinton misslingt, dann müsste sich Obama mühsam nach einem Kompagnon umsehen, der ähnlich wie Clinton in der Lage wäre, Amerikas Frauen und die skeptischen weißen Arbeiter anzusprechen. Nicht zu vergessen der Rückhalt, den Clinton unter den Latinos hat, die den Afro-Amerikanern traditionell nicht besonders wohlgesonnen sind.

Vor allem in den wahlentscheidenden "Swing states" kann Obama aus eigener Kraft nicht erfolgreich sein. Er braucht Hillary Clinton also mehr als sie ihn, wie ein TV-Kommentator treffend meinte.

Denn auch wenn in den USA nach acht Jahren George W. Bush der Wunsch nach Wandel groß und Barack Obama mit dem Slogan "Change" omnipräsent ist: Gepachtet hat ihn der Afro-Amerikaner nicht. Auch sein republikanischer Widersacher John McCain ist in gewisser Weise ein Abtrünniger, wird vom republikanischen Establishment als Außenseiter gehandelt und vom Wähler als unkonventionelle Figur gesehen, die neue Wege beschreiten kann.

Eine Gefahr für Barack Obama scheint aber relativ gering: Dass frustrierte Clinton-Unterstützer wie angedroht in Scharen zu den Republikanern überlaufen. Die jetzt so bitter Enttäuschten dürften - wenn sich die erste Aufregung erst einmal gelegt hat - doch erkennen, dass ihr Weltbild eher von Obama als von McCain repräsentiert wird.

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