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Obama macht "keinen Wahlkampf" in Berlin: Alle Menschen werden Brüder

Von Markus Kauffmann

Analysen

Bei dieser Reise konnte nichts schief gehen: Seit Gerhard Schröders Austritt aus der "Koalition der Willigen" ist das deutsch-amerikanische Verhältnis nachhaltig gestört; kein US-Präsident war jemals so unbeliebt wie der amtierende; Energie-, Finanz- und Wirtschaftskrise schreien nach einem Politik-Wechsel. Es kann also nur besser werden. | Und "change" ist es, was der 46 Jahre junge US-Senator aus Illinois, Barack Obama, verspricht - und verkörpert, denn er ist 25 Jahre jünger als sein republikanischer Konkurrent und 50 Prozent "farbiger", weil sein Vater aus Kenia stammte.


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Barack Obama lieferte am Donnerstag in Berlin eine perfekte Show. Vor 200.000 Fans an der Siegessäule, darunter zahlreiche Einpeitscher und Plakatträger ("Obama for President"), ehemalige GIs, die in Berlin hängen blieben und deren Kinder.

Jubel, als der Kandidat - dunkelblauer Anzug, hellblaue Krawatte, Hemd und Zähne in strahlendem Weiß - vor die Siegessäule tritt, die als martialisches Symbol zur Friedensbotschaft des Redners kontrastiert. Klein vor gigantischer Kulisse, dennoch groß in seiner geschliffenen Rhetorik und sympathischen Ausstrahlung.

Nicht Sachaussagen, sondern Bilder und Gefühle bestimmen Wahlkämpfe - diese sind Obamas Botschaft an seine Wähler. Der Medien-Hype des Sommers: Allein mit politischer Symbolik schafft der junge Kandidat, den außenpolitischen Kompetenzvorsprung seines Konkurrenten in einer Woche zu egalisieren.

In Deutschland traf der Obama-Auftritt auf gemischte Reaktionen. Während Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (beide SPD) Obama gern für sich vereinnahmt hätten - sie traten auch für das Brandenburger Tor als Kulisse ein -, wollte Angela Merkel (CDU) die Latte niedriger hängen, business as usual.

Den möglichen künftigen US-Präsidenten wollte sie sich aber auch nicht entgehen lassen. Also wurde er im Kanzleramt empfangen, eine gemeinsame Pressekonferenz gab es nicht.

Und die Rede selbst? Die eine heile Welt friedfertiger Bürger, das war der idealistische Grundton seiner Ansprache, der die Menschen auch begeisterte - wen nicht! Transatlantische, ja weltumspannende Zusammenarbeit im Kampf gegen Klimawandel, Terror, Drogen. Eine heile Welt ohne Mauern und ohne Kernwaffen. Wer Konkretes oder Kantiges erwartet hatte, war im falschen Film. Am Schluss bleibt ein Allgemeinplätzchen: Es darf auf keinen Fall so weiter gehen!

"Es ist unsere Zeit, die Zeit unserer Generation!" Nach 25 Minuten leerte sich der Große Stern wieder. War da was?

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