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Obama nimmt für die Staatsräson innenpolitische Anfeindungen in Kauf

Von Alexander U. Mathé

Analysen

Es war ein notwendiger Schritt für Barack Obama, die Folterpraktiken der USA ans Tageslicht zu bringen und dagegen vorzugehen. Die Veröffentlichung der entsprechenden Geheimdienstakten hat den US-Präsidenten allerdings auf dünnes Eis geführt. | Die Folterung von Gefangenen, deren Inhaftierung ohne Aussicht auf einen Prozess, der Betrieb von Geheimgefängnissen und die Entführung von Verdächtigen haben die USA ihren Anspruch auf moralische Überlegenheit gekostet und ihre Autorität in Sachen demokratische Werte untergraben. Auch wenn dieser Schritt von vielen als notwendig für die nationale Sicherheit erachtet wurde, auch wenn, wie die CIA behauptet, dadurch weitere Terroranschläge des Typs 9/11 verhindert wurden.


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Diese moralische Autorität der USA will Obama nun wiederherstellen. Er muss sie sogar wiederherstellen, will er selbst glaubwürdig sein. Schließlich hat er ja versprochen, die Übel der Bush-Regierung auszumerzen. Doch die CIA ist einer der Pfeiler amerikanischer Außenpolitik und Sicherheit. Schließlich stützen sich die amerikanische Vorstellung globaler Stabilität sowie die Einschätzung ausländischer Regierungen zu einem großen Teil auf die Erkenntnisse des Geheimdiensts. Ihn zu diskreditieren hätte weitreichende Konsequenzen.

Die schuldigen Folterer an den Pranger zu stellen, wäre ein demoralisierendes Zeichen nach Innen. Bisher haben sich die Agenten darauf verlassen können, aufgrund ihrer Aktionen im Grenzbereich der Legalität zwar intern gemaßregelt zu werden, dafür aber nach außen hin geschützt zu sein. Sie an die Öffentlichkeit zu zerren würde bedeuten, dass künftig kaum noch ein CIA-Mitarbeiter bereit sein wird, Aufträge zu übernehmen, die nicht zu hundert Prozent gesetzlich gedeckt sind. Ganz abgesehen davon, dass die Anschwärzung der CIA die Zusammenarbeit mit Obama erschweren würde.

Obamas Linie, Folter zu verurteilen und abzuschaffen, dafür aber die Namen früherer Missetäter nicht zu veröffentlichen, ist daher von der Staatsräson geradezu vorgegeben. Deshalb muss er den damit verbundenen innenpolitischen Husarenritt in Kauf nehmen. Denn mit der Amnestie bringt er nicht nur enttäuschte Menschenrechtsorganisationen gegen sich auf, die Köpfe rollen sehen wollen, sondern auch seine Parteikollegen im Kongress, die nach A auch B sagen wollen.

analyse@wienerzeitung.at