Der einstige Posterboy der europäischen Linksintellektuellen administriert den Niedergang des US-Imperiums wie ein gelangweilter Masseverwalter.
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Kein anderer US-Präsident seit 1945 wurde von Europas Intellektueller Klasse so begeistert bejubelt wie Barack Obama bei seiner Wahl 2008. Wer damals hingegen meinte, blendende Rhetorik und afroamerikanischer Background wären noch kein hinreichender Grund für eine quasireligiöse Verehrung des Nachfolgers von George W. Bush, galt als rassistische Spaßbremse. "Das ist ein Augenblick der Zuversicht. Über diesem Anfang liegt der besondere Zauber des ‚Yes, we can‘", dichtete selbst die nicht für Gefühlsausbrüche berüchtigte damalige Außenministerin Ursula Plassnik.
Jetzt, vier Jahre später und am Ende der (ersten?) Amtszeit Obamas, zeigt sich recht klar: Europas Intellektuelle haben sich ziemlich geirrt, und die wenigen Spaßbremsen hatten weitgehend recht. Obama wird in die Geschichte - aus heutiger Sicht - als eher durchschnittlicher Präsident mit bescheidener Bilanz eingehen, diesbezüglich mehr Jimmy Carter als Ronald Reagan ähnlich. "Hit The Road, Barack - Why we need a new President", schrieb der renommierte Harward-Historiker Niall Ferguson in einer "Newsweek"-Titelgeschichte. Und auf der anderen Seite des Atlantiks urteilte die "Süddeutsche", einst publizistischer Cheerleader im Euro-Obama-Camp, mit erkennbarem Frust: "Der US-Präsident regiert schwach und ideenlos", Obama sei "eine Enttäuschung".
Vor allem, wenn man Obama auch nur annähernd an seinen fluffigen Versprechungen misst. Die "Straßen, Brücken, Stromnetze und Internetverbindungen Amerikas" gelobte er zu erneuern, Forschung und Wissenschaft wollte er "den ihnen gebührenden Platz verschaffen", "Schulen, Colleges und Universitäten ins 21. Jahrhundert führen" - "Yes, we can!"
Von alldem ist in den USA vier Jahre später wenig bis nichts zu merken. Obamas Ergebnisse bei der dringend nötigen Renovierung der US-Infrastruktur bescheiden zu nennen, ist eher noch übertrieben. Die versprochenen neuen Jobs blieben ebenso aus wie das versprochene Wachstum; wirklich beeindruckend gestiegen sind - freilich nicht zuletzt durchdie von seinem Vorgänger befeuerten Wirtschaftskrise - die Staatsschulden. Obama konnte den Verfall der USA nicht rückgängig machen, im Großen und Ganzen erweckt er den Eindruck, ihn bloß zu administrieren wie ein Insolvenzverwalter des US-Imperiums.
Das gilt auch für die außenpolitische Abrechnung des 44. US-Präsidenten. Wofür er den Friedensnobelpreis bekommen - und vor allem genommen - hat, ist bis heute eines der ungeklärten Rätsel des 21.Jahrhunderts; für eine massive Steigerung des Einsatzes von Killerdrohnen in Afghanistan und Pakistan vermutlich nicht. Die Chance, im Arabischen Frühling konsequent auf der Seite der Aufständischen zu sein und damit jedenfalls die strategische Position der USA zu stärken, versemmelte er komplett.
"Über diesem Anfang liegt der besondere Zauber des ‚Yes, we can‘", schwärmte Ursula Plassnik vor vier Jahren. Über dem - vorläufigen - Ende der Administration Obamas liegt kein Zauber, sondern die Einsicht, dass der Posterboy der linken europäischen Intellektuellen es einfach nicht kann: "No, he can’t" statt "Yes, we can".
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