Zum Hauptinhalt springen

Obama versöhnt sich mit der UNO - und stärkt die Position der USA

Von Georg Friesenbichler

Analysen

"Gaddafi ist das Weltgewissen", ließ die libysche Mobilfunkgesellschaft per SMS verbreiten, nachdem der Revolutionsführer vor der UNO gesprochen hatte. Der Staatschef gerierte sich einmal mehr als Sprecher der Entwicklungsländer. Dass er dabei die UNO-Charta einriss und zu Boden warf, sorgte allerdings laut Wahrnehmung von Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer auch bei arabischen Delegierten für Kopfschütteln.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Erstaunt waren sie wohl nicht, ist doch Muammar Gaddafi als Exzentriker bekannt. Seinen ersten Auftritt bei einer UNO-Generaldebatte nutzte er zur Selbstdarstellung ebenso wie Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad, der dies seit seiner Wahl 2005 praktiziert und mit seiner These einer jüdischen Weltverschwörung einmal mehr für einen Eklat sorgte. Solche auch von anderen Staatschefs geübten Profilierungsrituale haben die Vereinten Nationen immer ohne Schaden überstanden, wie Fischer in angemessener Gelassenheit anmerkte.

Sogar von Gaddafi kam aber Lob für den US-Präsidenten. Die Auftritte Barack Obamas bei der Klimakonferenz, vor der Vollversammlung und im Sicherheitsrat bedeuten eine Wende in den oft gespannten Beziehungen der USA zur UNO. Vorgänger George W. Bush hatte die Vereinten Nationen nicht nur im Fall des Irak-Krieges düpiert und ihnen finanzielle Unterstützung vorenthalten. Vom großsprecherischen Gehabe des Weltpolizisten hat sich Obama nun entfernt, auch aus der Einsicht heraus, dass die USA die internationalen Probleme nicht allein lösen können.

Zur Bekämpfung der afghanischen Taliban braucht er ebenso Unterstützung wie bei den Themen Wirtschaftskrise, Nahost, Abrüstung und Klimawandel. An den amerikanischen Feindbildern hat sich dabei im Grunde wenig geändert: Iran und Nordkorea stehen weiterhin ganz oben auf der Prioritätenliste.

Gehörten diese bei Bush noch zur Achse des Bösen, herrscht nun ein konzilianterer Ton, und mit Diplomatie ist es auch einfacher, Verbündete gegen die nuklearen Schreckgespenster zu finden: Russlands Präsident Dmitri Medwedew hat bereits angedeutet, dass er zu einem stärkeren Engagement gegen Teheran bereit wäre. Wie weit Moskau dabei wirklich gehen will, wird sich erst weisen.

Der Verzicht auf den Raketenschild in Europa hat zu dieser Haltung Russlands beigetragen, wie man in Washington hinter vorgehaltener Hand zugibt; und er erleichtert auch Fortschritte bei der internationalen Abrüstung erheblich.

Dass Obama von den anderen Staaten fordert, mehr globale Verantwortung zu übernehmen, widerspricht freilich in vielen Fällen deren nationalen Interessen. Trotzdem stärkt sein versöhnlicher Tonfall die Position der USA in der Welt wohl mehr als die Alleingänge seines Vorgängers Bush.

Seite 7

analyse@wienerzeitung.at